Der Fragebogen von Marcel Proust
Die Antworten von Bernd Lange
Was denken und fühlen bekannte Zeitgenossen? Welche Vorlieben haben sie? Diese Fragen faszinierten die Menschen schon immer. Vorbild für diese Fragen ist der wohl berühmteste Fragebogen der Welt, der den Namen des französischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern nur ausgefüllt, das heisst, genau genommen sogar zwei: Um die Jahrhundertwende war es ein beliebtes Gesellschaftsspiel, Gäste an einer gehobenen Party einen persönlichen «Questionnaire» ausfüllen zu lassen. So auch den 13-jährigen Proust an einer Geburtstagsparty von Antoinette Faure, Tochter des späteren französischen Präsidenten Félix Faure. Einer ihrer Söhne veröffentlichte die Antworten 1924 zum ersten Mal. Im Alter von etwa 20 hatte Proust einen ähnlichen Fragebogen ausgefüllt, dem er selber den Titel «Marcel Proust par lui-même» («Marcel Proust über sich selbst») gab. Berühmt gemacht wurden die Fragen durch bekannte Publikationen. Ebenso wie die renommierte FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) legt das amerikanische Gesellschafts-Magazin «Vanity Fair» Prominenten die Fragen von damals vor.
Wo möchten Sie leben?
Bei netten Menschen und ein Haus am Meer ist ein Traum.
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Menschen in ihrer Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu stärken, sozial gerechte Lebensmöglichkeiten für alle, Friede auf Erden
Was ist für Sie das größte Unglück?
Krieg, Rassismus und Unfreiheit
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Fast alle, aber nur einmal
Welches sind Ihre persönlichen Stärken?
Schnelle Auffassungsgabe, Organisationstalent, Großzügigkeit, Gelassenheit
Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
Engagement, Kompromissfähigkeit, Aufrichtigkeit
Ihr größter Fehler?
Manchmal wortkarg, dünnhäutig und ungeduldig
Was verabscheuen Sie am meisten?
Gewalt, Ungerechtigkeit, Machtmissbrauch und Überheblichkeit
Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?
Keine
Wie möchten Sie sterben?
In Frieden.
Ihr Motto?
"Hier wird gerudert und nicht geschludert" und „Nach vorn geht der Blick“
Was ist für Sie die wichtigste Erfindung der letzten hundert Jahre?
Der Mikrochip
Glauben Sie, Gott ist eine Erfindung des Menschen?
Nein, für mich ist Gott die Kraft, die jeden Menschen als Mensch mit einem leistungslosen Selbstwert annimmt und ihm die Freiheit schenkt, der Welt gelassen gegenüber zu treten und sich einzumischen.
Wen möchten Sie gerne persönlich kennenlernen?
Barack Obama
Was würden Sie tun, wenn Sie Bundeskanzler*in wären?
Sozialen Zusammenhalt stärken, den Mensch vor die Ökonomie setzen
Ihre Heldinnnen und Helden?
Paulus, Rosa Luxemburg, Dietrich Bonhoeffer, Nelson Mandela, in meiner Jugend: Jerry Cotton
Ihre liebsten Romanheld*innen?
Er ist mutig, klug und voller Zuversicht: Sir Oblong-Fitz-Oblong, "der kleine dicke Ritter" mit dem großen Herzen, der es wagt, ganz allein gegen den bösen Baron Bolligru zu kämpfen und gegen Drachen vorzugehen - im Buch von Robert Bolt, dann auch in der Augsburger Puppenkiste.
Ihre Lieblingsheld*innen der Filmgeschichte?
Emma Peel in "Mit Schirm, Charme und Melone", Rick Blaine in "Casablanca"
Ihre Lieblingsschriftssteller*innen?
Bert Brecht, Isabel Allende, Erich Fried, Deon Meyer, Umberto Ecco, Oskar Negt, Juli Zeh
Ihr Lieblingsbuch?
zurzeit: „Überlebensglück“ von Oskar Negt und „Das Herz des Jägers“ von Deon Meyer
Ihre Lieblingsmaler*innen?
Die Brücke-Maler, z.B. Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein
Welches Design bevorzugen Sie?
eindeutig: Bauhaus
Ihre Lieblingsmusik?
Von Herbert Grönemeyer
Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Arbeiten, Motorradfahren, Oldtimerschrauben und alles rund ums Wasser
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Rallyefahrer, Seefahrer auf einer 4-Mast-Bark
Ihre Lieblingsfarbe?
Rot
Ihr Lieblingstier?
Katze, sie ist sehr selbständig und nich devot
Ihre Lieblingsblume?
Buschwindröschen, Osterglocke
Ihr Lieblingsvogel?
Möwe
Welchen Sport betreiben Sie?
Schwimmen
Welches Auto möchten Sie gerne fahren?
Einen Sportwagen aus den Fünfzigern
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, was ist es bei Ihnen?
Grünkohl, Burgdorfer Spargel, Pasta, Jever Pilsener, Rotwein, Amaretto
Welche drei Gegenstände nehmen Sie mit auf eine einsame Insel?
Ein 10.000-Teile-Puzzle, die Bibel, ein Segelboot