Indigene Völker, Bergbauindustrie und Freihandelsabkommen

Im Juni 2011 beklagten 39 Europaabgeordnete verschiedener politischer Parteien in einem Brief an die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton die schwere Verletzung der Rechte der indigenen Völker Guatemalas und Kolumbiens. Den beiden Staaten wird im Rahmen geplanter Handelsabkommen mit der EU vorgeworfen, das Recht der vorherigen Anhörung der indigenen Völker bei der Land- und Ressourcennutzung ignoriert zu haben.

Das umfassende Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Andenstaaten Kolumbien und Peru wurde im Mai 2010 zum Abschluss gebracht. Zudem verhandeln die EU und sechs Länder Zentralamerikas (Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua, Panama als Beobachter) seit Juni 2007 über ein Assoziierungsabkommen.

Vor diesem Hintergrund fand auf Einladung von Bernd Lange (S&D), Helmut Scholz (GUE/ NGL), Catherine Grèze (Greens/ EFA) und Catherine Bearder (ALDE) am 22. Juni 2011 im Europaparlament eine Konferenz zu 'Kolumbien und Guatemala: Indigene Völker, Bergbauindustrie und Freihandelsabkommen' statt. Diese führte Europaabgeordnete, Vertreter indigener Völker Kolumbiens und Guatemalas sowie Vertreter der Zivilgesellschaft zusammen und bot Gelegenheit zu Dialog, Darstellung und Diskussion.

2011_06 Kolumbienkonferenz
Foto: Diego Sandoval Ochoa

Die Berichte der Vertreter der indigenen Völker Kolumbiens und Guatemalas (z.B. ONIC, Maya K´iché People, Inga People), die anhand konkreter Beispiele und anschaulichem Kartenmaterial unterstützt wurden, machten auf die Folgen der Land- und Ressourcennutzung ohne vorherige Anhörung der Bewohner aufmerksam. Sie verurteilten, dass in einem rohstoffreichen Land wie Kolumbien die Bergbauindustrie große Gewinne erziele, während die indigenen Völker kaum etwas von dem wirtschaftlichen Aufschwung erführen, in sozialen Missständen leben und häufig Opfer von Kriminalität würden. Um zu verhindern, dass ein Freihandelsabkommen das an die Unternehmungen im Rohstoffabbau geknüpfte Ungleichgewicht verstärke, forderten die Vertreter der indigenen Völker die EU auf, erhöhtes Monitoring der Bergbauunternehmen zu betreiben sowie die Rechte und Lebensbedingungen indigener Völker in den betroffenen Gebieten zu untersuchen. Menschenrechte, eine partizipative Demokratie und eine gerechte Wohlstandsverteilung müssten im Rahmen des Freihandelsabkommens gewahrt werden, um eine harmonische Entwicklung der indigenen Völker zu gewährleisten.

Bernd Lange, Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) des Europäischen Parlaments, bekräftigte auf der Konferenz die Notwendigkeit nachhaltiger und fairer Handelsabkommen: „Das EU- Parlament hat im Bereich der Handelspolitik seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon einen Machtzuwachs erfahren. Für Südafrika und Südkorea haben wir bereits faire Abkommen abgeschlossen. Für die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament ist die Zustimmung zu zukünftigen Abkommen weiterhin von der verbindlichen Verankerung von Menschenrechten und Sozial- und Umweltstandards abhängig.“

Hinsichtlich der an die EU gestellten Forderungen kündigte der Handelsexperte Bernd Lange einen Besuch in Kolumbien an:
„Ich fahre im Juli selbst nach Kolumbien, um mir ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen und die Bergbauindustrie zu untersuchen. Die soziale Verantwortung der europäischen Unternehmen muss überprüft werden. Solange keine Mechanismen zur Einbindung der Zivilgesellschaft in dem Freihandelsabkommen verankert sind, wird es für mich keine Zustimmung geben.“

Das Europaparlament hat mit dem Vertrag von Lissabon im Bereich der Handelspolitik erheblich an Kompetenzen gewonnen. Handelsabkommen bedürfen vor ihrem Inkrafttreten nun der Zustimmung der europäischen Bürgervertretung. Das Freihandelsabkommen wird ab Anfang 2012 im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments diskutiert. Zum Zeitpunkt seiner Abstimmung im Sommer 2012 werden dann alle Mitglieder des Europäischen Parlaments über die Zustimmung zum Abkommen entscheiden.