Meine Meinung: Europapolitisches Stückwerk beenden!
Die Regierungen in Europa waren trotz monatelanger Beratungen am letzten Wochenende nicht in der Lage, sich auf einen Nenner zu einigen und einen zu Ende gedachten Plan zu entwickeln. Diese Vertagung von Beschlüssen war ein trauriges Eingeständnis von Unvermögen und ein verheerendes Signal. Die Verabredungen des gestrigen Gipfels der Staats- und Regierungschefs sind wieder nur ein kleiner vorläufiger Schritt.
Es macht keinen Sinn, immer wieder der Entwicklung hinterherzulaufen. Zum einen muss die griechische Schuldenlast endlich wieder dauerhaft tragfähig gemacht werden. Griechenland muss Strukturreformen durchführen und den Haushalt in den Griff kriegen, aber es muss auch eine langfristige Perspektive da sein, um die wirtschaftliche Genesung angehen zu können. So bedarf es realistischer Zins- und Abtragsbelastungen; griechische Banken müssen in der Lage sein gerade Mittelstandskredite vergeben zu können. EU-Strukturmittel müssen Wachstum fördernd eingesetzt werden.
Allerdings wird im Augenblick nur darauf geachtet, dass Griechenland die Zins- und Abtragsforderungen der Banken bedienen kann. Was für ein irrer Kreislauf! Da werden europäische Banken mit ca. 400 Mrd. € stabilisiert, nachdem sie die Finanzkrise mit hervorgerufen haben. Dafür und für Konjunkturprogramme verschulden sich die EU-Länder – und werden nun wegen der Verschuldung schlechter bewertet, so dass sie nunhöhere Zinsen an die eben geretteten Banken zahlen müssen. Die schwarzgelbe Bundesregierung richtet ihre Politik am zentralen Ziel aus, die Zahlungen an die Banken sicherzustellen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Verschuldungssituation und dem Abbau der Verschuldung kann ohne die verpflichtende Beteiligung der Banken nicht erreicht werden. Das heißt: Schuldenverzicht und Finanztransaktionsteuer! Damit sich Europa in Zukunft nicht von einer Krise zur nächsten hangelt, müssen den Finanzmärkten wieder viel stärker verbindliche Spielregeln auferlegt werden, damit die ursprüngliche Funktion von Banken wieder zum Tragen kommt. Schließlich sollten die Banken Geld für die Realwirtschaft und damit für die Arbeitsplätze der Menschen auch in Niedersachsen zur Verfügung stellen, statt eigenständig riskante und/oder spekulative Finanzgeschäfte zu tätigen.
Außerdem muss endlich eine gemeinsame europäische Politik für Wachstum und Beschäftigung eingeleitet werden. Dazu bedarf es keiner neuen Gremien oder Hilfskonstruktion. Die EU-Kommission ist zu stärken in der Funktion einer Wirtschaftsregierung. Und sie steht unter der parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Parlamentes. Erfreulicherweise hat der Kommissionspräsident Barroso dies endlich auch einmal öffentlich klar gestellt. Die EU-Kommission als Wirtschaftsregierung ist nicht nur effizienter, sondern auch demokratischer als Verhandlungen zwischen nationalen Regierungen das sein können. Letztere können von den 27 nationalen Parlamenten der EU kaum ständig kontrolliert werden. Die Staats- und Regierungschefs sollten dies endlich akzeptieren und das zwischenstaatliche „Kuhhandeln“ sein lassen.
Anfang des 19. Jahrhunderts haben die Staatschefs beim Wiener Kongress eigenmächtig über das das Wohl und Wehe von Staaten und ihren Menschen entscheiden können. Diese Zeiten sind vorbei. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy sind besonders dafür verantwortlich, wenn Ratstreffen zu Gipfel des Dilettantismus verkommen, denn sie hängen dieser überkommenen Politikvorstellung der zwischenstaatlichen Verhandlungen von nationalen Regierungen an. Die Zukunft Europas und die europäische Gemeinschaftsidee darf nicht nationalstaatlichen Egoismen zum Opfer fallen und damit die Demokratie schleichend aushöhlen.