Interview: Bernd Lange hofft auf Freihandelsabkommen mit Mercosur, Australien und Indonesien

Der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) erhofft sich für die nächste Legislatur größere Erfolge bei der Verhandlung neuer Handelsabkommen.

Im Interview mit Table.Briefings argumentiert Lange, dass die EU-Handelspolitik auf eine Trump-Präsidentschaft gewappnet ist. Zudem hofft er auf einen Abschluss des Mercosur-Abkommens bis spätestens 2025.

Von János Allenbach-Ammann 

Für den langjährigen Europaabgeordneten Bernd Lange (SPD) sollte sich die Handelspolitik der kommenden EU-Kommission an drei Prioritäten ausrichten:

  • die Reform der Welthandelsorganisation WTO
  • der Ausbau des bilateralen Netzes bilateraler Freihandelsabkommen
  • die flexible und partnerschaftliche Umsetzung der Entwaldungsverordnung und des CO₂-Grenzausgleichs

Der Erfolg der EU-Handelspolitik wird aber stark vom internationalen Umfeld abhängen, insbesondere vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen am 4. November. Wie die EU die von ihm geforderten Prioritäten verfolgen soll und auf die Ergebnisse der US-Wahlen reagieren kann, besprach Lange im Interview mit Table.Briefings.

Joe Biden scheint nicht viel von der WTO zu halten. Wenn er wiedergewählt wird: Wie realistisch ist eine WTO-Reform in den kommenden Jahren?

US-Präsidenten sind in der zweiten Amtszeit generell etwas entspannter. Ein Faktor sind allerdings auch die Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus. Es ist aber die klare Ansage der Biden-Administration, dass nach dem 4. November die Frage des Streitschlichtungsmechanismus der WTO angegangen wird. Auch die Frage der Definition nationaler Sicherheit werden wir sicherlich mit den amerikanischen Freunden noch einmal sehr intensiv besprechen. Zuletzt hatte sich die Konfrontation zwar zugespitzt. Ich gehe davon aus, dass sich die Lage etwas entspannten wird, mit einer wiedergewählten Biden-Regierung. 

Es ist auch möglich, dass das andere Szenario eintrifft und Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt. Er hat von einem Zehn-Prozent-Zoll gesprochen, den er wie eine Mauer um den amerikanischen Markt ziehen will. Wie kann die EU reagieren, wenn er das umsetzt?

Ja, er will zehn Prozent auf alles, in bestimmten Sektoren will er Quoten einführen, er möchte sich innerhalb von vier Jahren von China unabhängig machen, und einiges mehr. Das sind alles Dinge, die nicht WTO-kompatibel sind. Wir bereiten uns jetzt schon für mögliche WTO-Cases vor. Und dann haben wir natürlich unsere defensiven Instrumente, insbesondere bei der öffentlichen Beschaffung, wo wir auch Aktivitäten von amerikanischen Unternehmen einschränken könnten.

Welche Instrumente hat die EU noch?

Etwa das Anti-Zwangsmaßnahmen-Instrument, das auch entstanden ist, weil Trump damals mit Zöllen auf europäische Autos gedroht hatte. Jetzt haben wir Gegenmaßnahmen in unserer Werkzeugkiste. Wir gucken sehr genau, welche Maßnahmen wir unter welchen Bedingungen auch sehr schnell einleiten können. Noch einmal so eine Situation, in der wir überrascht werden von einem feindlichen Handeln eines Freundes, das werden wir nicht zulassen.

Hat die Union mittlerweile genügend Handelsverteidigungsinstrumente zur Verfügung oder gibt es noch Lücken?

Im Moment ist der Werkzeugkasten gut gefüllt. Wir haben auch noch die Durchsetzungsverordnung, um WTO-Recht durchzusetzen, und das Screening ausländischer Direktinvestitionen. Auch das Instrument gegen ausländische Subventionen werden wir sicher scharf stellen. Aber wenn wir merken, dass wir noch etwas anderes haben müssen, können wir da auch noch schnell etwas etablieren.

Der Ausbau des bilateralen Handelsnetzes ist in dieser Legislatur schleppend verlaufen. Wo können in den kommenden Jahren Abkommen gelingen? 

Mercosur, Australien, Indonesien sind die drei Abkommen, um die es nächster Zeit besonders gehen wird. Die Mercosur-Staaten sind nach wie vor interessiert an einem Abkommen. Ich hoffe, dass dieses Mal die Situation bei uns nicht dazu führt, dass es scheitert. Deswegen müssen wir mit unseren französischen Freunden intensiv reden.

Aber wie soll das funktionieren? Ohne Frankreich wird es wohl kein Mercosur-Abkommen geben.

Wir müssen schauen, wie die Landwirtschaftspolitik in Frankreich gestaltet wird und dann auch noch einmal auf die Wertschöpfungskette in der Landwirtschaft insgesamt. Wir haben vor einigen Jahren eine Gesetzgebung gemacht gegen unfaire Handelspraktiken, weil da die großen Verwerter und Händler von Agrarprodukten den Landwirten wirklich Daumenschrauben angesetzt haben. Das waren völlig unfaire Praktiken. Das wurde zum Teil abgeschafft, aber da müssen wir nochmals ran. Letztendlich muss die Wertschöpfungskette von der Milch über den Käse bis zum Verkauf fair gestaltet werden. Und wenn dem so ist, dann ist die Skepsis gegenüber Freihandelsverträgen auch nicht mehr so groß.

Wie sieht die Timeline aus beim Mercosur-Abkommen?

Wir müssen die Europawahl abwarten, dann muss etwas passieren und im nächsten Jahr muss der Deckel draufgemacht werden.

Sie plädieren auch dafür, dass die EU die unilateralen EU-Regulierungen mit Handelsbezug wie die Entwaldungsverordnung vorsichtig umsetzt. Was schwebt Ihnen da vor?

Der Ansatz muss flexibler und kooperativer sein. Bei der Entwaldungsverordnung gibt es zum Beispiel drei verschiedene Risikoklassifizierungen. Aber auf Länder bezogen kann man das eigentlich nicht so machen. Indonesien hat 4.000 Kilometer Entfernung zwischen ihren Inseln, die Produktionsbedingungen sind sehr unterschiedlich. Kann man ein Land einfach so klassifizieren? Und wie kann man stärker die Instrumente unserer Partner in die Umsetzung einbinden? Viele Länder haben zum Beispiel aus eigenem Antrieb schon Karten erstellt, um die Entwaldung nachzuvollziehen. Ich glaube, da kann man wirklich mehr kooperieren.