„Der Weg stimmt, die Geschwindigkeit nicht - EU-Aktionsplan Automobilindustrie mit Licht und Schatten“

Die EU-Kommission präsentiert heute ihren Aktionsplan für die Zukunft der Automobilindustrie, der im Rahmen des strategischen Dialogs seit Januar entwickelt wurde. Der Aktionsplan umfasst einen Fahrplan mit Gesetzgebungen und weiteren Initiativen, um die europäische Automobilindustrie wieder in die Spur zu bringen und langfristig zu sichern.
Dazu der niedersächsische SPD-Europapolitiker und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange:
„Auf der Guthabenseite steht, dass der zentrale Stellenwert der europäischen Automobilindustrie jetzt anerkannt wurde und wir jetzt alle an einem Strang ziehen, damit diese Schlüsselindustrie und damit auch die guten Jobs langfristig gesichert werden. Da hat in den letzten Monaten ein regelrechter Paradigmenwechsel stattgefunden. Europa steht hinter seiner Autoindustrie.
Im Bereich der Außenwirtschaft bleibt der Aktionsplan bei der Stärkung und Nutzung unserer defensiven Handelsschutzinstrumente, damit unsere Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen haben. Aber angesichts der jüngsten Entwicklungen ist es genauso wichtig, dass wir durch neue Handelsabkommen und Partnerschaften neue und stabile Absatzmärkte für unsere Automobilindustrie schaffen und Lieferketten, gerade auch für verarbeitete Rohstoffe, stärken. Es muss also nicht nur darum gehen, Abkommen wie die mit Mercosur oder Mexiko so schnell wie möglich Realität werden zu lassen, sondern einen besonderen Fokus auf mögliche neue Abkommen wie beispielsweise mit Australien, Indonesien oder Indien zu legen. Die europäische Automobilindustrie profitiert von solchen Abkommen und Partnerschaften doppelt, da dadurch auch der Zugang zu wichtigen Rohstoffen für die Produktion diversifiziert wird.
Die Bandbreite der Maßnahmen im Aktionsplan ist sehr groß und reicht von der Flexibilität bei möglichen Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der CO2-Flottengesetzgebung über einen besonderen Fokus auf Autonomes Fahren bis hin zu Empfehlungen für Social Leasing und die Ausarbeitung eines Aktionsplans für Elektrifizierung. Der benötigte große Wurf ist der Aktionsplan aber leider dennoch nicht. Obwohl von vornherein klar war, dass der Aktionsplan nicht der heilige Gral sein würde, ist mir da noch zu viel Plan und zu wenig Aktion drin. So richtig es ist, endlich einen besonderen Fokus auf zukunftsträchtige Bereiche wie das Autonome Fahren zu setzen, so wichtig wäre es, kurzfristige Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen. Da reichen dann beispielsweise unverbindliche Empfehlungen für soziales Leasing und für Anreizsysteme zum Erwerb von Elektrofahrzeugen einfach nicht aus. Da hätte mehr kommen müssen. Zumal selbst solche Empfehlungen noch erarbeitet werden müssen und sich somit zeitnah erstmal nichts groß ändert.
Es hätte stattdessen ein viel stärkerer Fokus auf die umgehende Stärkung der Nachfrageseite gelegt werden müssen. Will heißen: Wirklich einen verbindlichen Rahmen für das soziale Leasing oder bei den Firmenflotten zu schaffen und konkrete Anreizsysteme auf den Tisch zu legen. Warum nicht zudem einen EU-Rahmen für erschwingliche Elektrofahrzeuge schaffen und das dann auch entsprechend fördern? Enttäuschend ist auch, dass der Europäischen Kommission beim Thema Hochlauf der Ladeinfrastruktur nicht mehr einfällt als ein Aktionsplan Elektrifizierung, der zudem erst 2026 kommen soll. Gerade mit einer funktionierenden Ladeinfrastruktur, die auch erschwingliche Ladepreise umfassen muss, steht und fällt die Nachfrage.
Mehr Flexibilität bei möglichen Strafzahlungen wegen Überschreitung der CO2- Flottengrenzwerte, um die notwendigen Investitionen in den Umstieg weiter finanzieren zu können, ist zu begrüßen. Allerdings sollte nun nicht die anstehende Revision der Gesetzgebung missbraucht werden, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors rückgängig zu machen. Ein Rolle rückwärts gibt keine Investitions- und Beschäftigungssicherheit.“