China, die USA und andere üben immer öfter wirtschaftlichen Druck aus, um ihnen unliebsame EU-Entscheidungen zu verhindern. Die Europäer setzen sich zur Wehr.

Wenn die Europäische Kommission noch einen Beleg dafür benötigt hätte, dass die EU ein neues Instrument zur Verteidigung gegen wirtschaftliche Erpressung durch Drittstaaten braucht, liefert ihn in diesen Tagen China. Seit das EU-Mitglied Litauen im August die Eröffnung eines „taiwanischen“ Repräsentationsbüros in Vilnius erlaubt hat, ist die Stimmung zwischen beiden Staaten angespannt. Peking sieht darin einen Verstoß gegen das Ein-China-Prinzip, dass Taiwan Teil Chinas sei. Nachdem das Büro im November tatsächlich eröffnet worden war, blockiert Peking nun die Einfuhr von Waren aus dem baltischen Staat. So musste Handelskommissar Valdis Dombrovskis am Mittwoch nicht lange überlegen, als er nach Beispielen gefragt wurde, wo das von ihm vorgeschlagene neue Anti Erpressungsinstrument der EU greifen könnte.

Bisher tut sich die EU schwer damit, auf derartige Erpressungsversuche durch Drittstaaten zu reagieren. Denn für die Verhängung von Sanktionen verlangen die EU Verträge – wie stets in der Außenpolitik – die einstimmige Zustimmung der Mitgliedstaaten. Die wiederum ist oft unmöglich zu erlangen. Gerade wenn es um China geht, haben einzelne Staats- und Regierungschefs wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán öfter ein Veto gegen Beschlüsse der EU eingelegt. Deshalb soll die Entscheidung über die Anwendung des Anti-Erpressungsinstruments nach dem Vorschlag weitgehend der Kommission überlassen bleiben. Die Staaten soll sie nur verhindern können, wenn es eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat dagegen gibt.

Voraussetzung für die Anwendung des Instruments sei, dass ein Staat ökonomische Mittel einsetze, um ihm unliebsame Entscheidungen der gesamten EU oder auch eines Mitgliedstaats zu verhindern, stellte Dombrovskis klar. Es gehe nicht darum, sich etwa gegen aus wirtschaftlichen Gründen verhängte Schutzzölle wie im Handelsstreit mit den USA zu wehren. Solche Fälle sollen weiter vor der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf oder im Rahmen der bestehenden Handelsabkommen geklärt werden. [...]

Bevor die Kommission das neue Ins­trument nutzen kann, müssen sich zunächst Europaparlament und Ministerrat, das Gremium der EU-Staaten, damit befassen. Nur wenn ihm beide Institutionen zustimmen, kann der Vorschlag in Kraft treten. Die Chancen stehen gut. Im Europaparlament stieß der Vorstoß am Mittwoch auf breite Unterstützung. „Im Europäischen Parlament gibt es die große Bereitschaft, konstruktiv und zügig daran mitzuwirken, dass das neue Schutzinstrument Wirklichkeit wird“, betonte der EU-Abgeordnete der Grünen, Reinhard Bütikofer. Der Vorsitzende des Handelsausschusses Bernd Lange (SPD) sprach von einer „Lizenz zur Gegenwehr“. Die EU müsse sich den unangenehmen geopolitischen Realitäten stellen. Sie habe eine Lücke in ihrem Instrumentarium und sei deshalb angreifbar. „Wir müssen ein Ins­trument schaffen, das Versuche, die EU auseinanderzudividieren, von vorneherein ausschließt“, betonte Lange weiter. [...]