In der Alfelder Zeitung bewertet der in der Region Hannover lebende EU-Parlamentarier Bernd Lange die aktuelle Lage rund um das auf Eis gelegte Investitionsabkommen mit China.


EU-Parlament erhöht mit Hongkong Resolution weiter Druck auf China – Investitionsabkommen im Kühlschrank

China setzt seine aggressive außen- und innenpolitische Linie weiter fort und schränkte kürzlich die Pressefreiheit in Hongkong weiter ein. Nachdem die pekingkritische Zeitung „Apple Daily“ geschlossen wurde, hat das Europäische Parlament mit einem Dringlichkeitsbeschluss reagiert. Darin hat das Parlament auch die klare Positionierung zum EU-China-Investitionsabkommen nochmals unterstrichen.

Noch auf den letzten Metern der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands wurde Ende vergangenen Jahres eine Einigung beim EU-China-Investitionsabkommen erzielt und damit auch eine kontroverse Diskussion zum Umgang mit China generell ausgelöst. Diese gewann zusätzlich an Brisanz, als die EU aufgrund der Menschenrechtslage in der chinesischen Region Xinjiang Sanktionen verhing und China umgehend mit unverhältnismäßigen Gegensanktionen reagierte. China verhängte Sanktion gegen mehrerer Europaabgeordnete. Die Zukunft des Investitionsabkommens ist derzeit ungewiss, das Abkommen liegt im Kühlschrank und wird aktuell im Europäischen Parlament nicht weiterberaten.

China ist einer der größten Handelspartner der Europäischen Union, insbesondere für Deutschland sind die wirtschaftlichen Beziehungen wichtig. 2020 kamen über 20 % aller EU-Importe aus China, 10 % aller Exporte wurden in das Reich der Mitte geliefert. Dabei sind es nicht nur große Konzerne wie Volkswagen oder Adidas, sondern ebenso kleine und mittelständige Unternehmen, die vom Handel mit China profitieren.

Die Verflechtungen mit China sind nicht einseitig, sondern wechselseitig, China ist auf Investition und Produkte europäischer Unternehmen angewiesen. Auch im Leinebergland stehen hochspezialisierte Industrieunternehmen mit chinesischen Unternehmen in engen Wirtschaftsbeziehungen. Und wenn man in China oder Hongkong ein Glas Nutella aufmacht und es „knackt“, steckt dahinter möglicherweise Technologie aus Alfeld an der Leine. Dennoch sind die Beziehungen von einem Ungleichgewicht geprägt, denn der chinesische Markt ist im Vergleich zum europäischen mit wesentlich mehr Beschränkungen versehen.

Es ist daher nur legitim und richtig den regelbasierten Handel mit China voranzutreiben, nur so können wir Handelsbeziehungen auf Augenhöhe erreichen, eine faire Behandlung europäischer Unternehmen in China sicherstellen und gleichzeitig die Einhaltung von internationalen Umweltstandards und universellen Menschenrechten fördern.

Zweifelsohne hält das Investitionsabkommen in diesem Hinblick einige Verbesserungen für europäische Unternehmen bereit. China wird zum Beispiel im Dienstleistungs- und Baubereich Marktöffnungen durchführen. Praktische Erleichterungen werden für europäische Unternehmen auch bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Aussicht gestellt. Zentral in dem Abkommen ist vor allem, dass die Rechtssicherheit europäischer Unternehmen gestärkt wird: Der chinesische Staat darf europäische Unternehmen nicht mehr zum Technologietransfer zwangsverpflichten. Ebenso soll bürokratische Ungleichbehandlung der Vergangenheit angehören. China verpflichtet sich Subventionen von chinesischen Unternehmen transparent zu machen und Staatsunternehmen dürfen europäische Unternehmen nicht mehr diskriminieren und beispielsweise per se von Aufträgen ausschließen.

Ein weiterer wichtiger Pfeiler des Abkommens sind die Regeln für eine nachhaltige Entwicklung. China hat bisher viele internationale Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation, wie das Verbot von Zwangsarbeit, nicht unterschrieben. Zum ersten Mal verpflichtet sich China in diesem Abkommen, dies zu tun. Ob die Regeln weit genug gehen, wie sie umgesetzt werden und ob die dafür vorgesehenen Mechanismen wirklich Zähne haben, werden wir im Parlament im Detail analysieren, wenn es die Gegebenheiten erlauben.

Nach 7 Jahren, 35 Verhandlungsrunden und viel Stillstand hat sich die chinesische Seite beim Investitionsabkommen stark auf uns zubewegt und sich mit uns auf ein Grundgerüst für ein Abkommen geeinigt. Solange aber demokratisch gewählte Abgeordnete in Europa von China sanktioniert werden, werden wir das Abkommen nicht weiter beraten.

Denn die alte Vorstellung, Handelspolitik sei nur das Schmierfett der wirtschaftlichen Entwicklung, man müsse nur die Handelsbarrieren niederreißen und schon würden Wachstum und Wohlstand folgen, ist längst überholt. Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Menschenrechte sowie sichere und gute Arbeitsplätze fallen bei solch einem Ansatz durch den Rost. Für mich ist wichtig, dass Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Klimaschutz in jedem EU-Handelsabkommen verankert sein müssen. Das EU-China-Investitionsabkommen bildet hierbei keine Ausnahme.

Das autoritäre China ist aber eben nicht nur Handelspartner, sondern auch ein systemischer Rivale Europas. Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Chinas Hongkong-Politik dürfen wir nicht ignorieren und ausländischer Druck auf das Parlament, die Herzkammer unserer Demokratie, nicht tolerieren.