Morgen startet mit einem High-Level-Treffen in Brüssel der strategische Dialog über die Zukunft der europäischen Stahlindustrie. Das Treffen ist der Auftakt und die Ergebnisse aus den Fachgesprächen sollen noch im Frühjahr in einen Aktionsplan für die Stahl- und Metallindustrie münden. Zu den Diskussionspunkten gehören die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Kreislaufwirtschaft, die Förderung des sauberen Übergangs, der Dekarbonisierung und der Elektrifizierung sowie die Gewährleistung fairer Handelsbeziehungen und internationaler Wettbewerbsgleichheit.

Dazu der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange:

„Eigentlich ist aufgrund der existenziellen Krise der Stahlindustrie gar keine Zeit mehr für intensive Gespräche. Hier muss schlichtweg schnell gehandelt werden. Sonst ist der Ofen im wahrsten Sinne des Wortes bald aus. Durch die angekündigten neuen US-Zölle auf Stahl wird sich eine eh schon dramatische Situation auch hinsichtlich der Überkapazitäten noch einmal weiter zuspitzen.

So sehr es also zu begrüßen ist, dass die Europäische Kommission im Zuge der europäischen Reindustrialisierung endlich auch in dieser wichtigen Schlüsselindustrie Rechnung trägt, so sehr muss klar sein, dass der angekündigte Aktionsplan nicht nur schnell kommen, sondern auch konkrete Maßnahmen enthalten muss, die zu einer Trendwende für die Stahlindustrie führen können.

Eine zentrale Rolle dabei spielt ohne Frage auch die Handelspolitik. Wir müssen unseren Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Das erreichen wir durch eine Stärkung und Sicherstellung der konsequenten Durchsetzung der handelspolitischen Schutzinstrumente der EU. Für die sich immer mehr verschärfenden Überkapazitäten brauchen wir eine langfristige strukturelle Lösung. Für die Safeguards, die 2026 auslaufen, gilt es nun eine robuste und WTO-kompatible Lösung zu finden. Zeitgleich gilt es aber auch klar Position gegen die illegalen Stahlzölle von US-Präsident Trump zu beziehen. Zudem sollte die Öffnung neuer Absatzmärkte weiter gehen - die Abkommen mit dem Mercosur und Mexiko sollten also schnell Wirklichkeit werden und auch das Handelsabkommen mit Indonesien oberste Priorität haben. Außerdem muss schnell der Dialog mit China wiederaufgenommen werden, um das Problem der Überkapazitäten zu adressieren. Hier scheint sich offenbar auch ein interner Prozess in China abzuzeichnen. Da ist einiges in Bewegung.

Weitere wichtige Lösungsansätze wurden im Clean Industrial Deal aufgeführt: vor allem die Einführung von Leitmärkten für grünen Stahl durch beispielsweise „local content“-Kriterien bei privaten oder öffentlichen Ausschreibungen oder Produkten sowie Anreize für die Verwendung von grünem Stahl bei der Automobilproduktion. Quoten im Rahmen der Altautoverordnung oder grüne Labels könnten zum Game Changer für die Stahlindustrie werden. Dafür müssen diese Vorschläge aber umgehend in die Tat umgesetzt werden und zeitnah von anderen flankiert werden, die für einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Rahmen neben der außenwirtschaftlichen Absicherung auch angegangen werden müssen: beispielsweise die Schlupflöcher bei CBAM, aber vor allem die zu hohen Energiepreise. 

Deshalb frage ich mich, ob gewisse Zeitpläne für die Umsetzung aufgrund des Ernstes der Lage nicht noch ambitionierter hätten sein können oder sogar müssen. Da ist mir der Clean Industrial Deal leider viel zu unkonkret geblieben. Da muss im Aktionsplan Stahl dann, wie wir im Norden sagen, „mehr Butter bei die Fische“ kommen.

 Zudem ist es ja nicht so, als ob die Probleme des Sektors erst seit gestern bekannt wären. Es wäre viel früher nötig gewesen, gerade bei den energieintensiven Industrien, die nicht nur wettbewerbsfähig gemacht, sondern zeitgleich auch noch dekarbonisiert werden müssen, mit einer gemeinsamen Strategie unter die Arme zu greifen. Für das späte Handeln zahlen wir jetzt einen hohen Preis. 

Seit Jahren habe ich mich beispielsweise mit Vertretern von Salzgitter für schnellere ICPEI-Genehmigungsverfahren eingesetzt, damit ein innovatives Verfahren wie das Salcos-Projekt für klimaneutrale Stahlproduktion, das enorme Investitionen und damit auch Sicherheit benötigt, endlich richtig loslegen kann. Trotzdem hat sich lange Zeit nichts getan. So etwas darf in Zukunft nicht mehr passieren. Auch diesbezüglich muss der Aktionsplan dann eine klare Marschrichtung vorgeben.“

 

Gemeinsam mit seinem sozialdemokratischen Kollegen Jens Geier hatte Bernd Lange im November 2024 mit IndustriAll Europe und EUROFER einen Aktionsplan für europäischen Stahl ins Leben gerufen. Diesen finden Sie hier https://www.steelactionplan.eu/