Die EU eröffnet ein Handelsverfahren vor der WTO – Hintergrund ist ein Streit über die neue Taiwan-Vertretung in Litauen. Peking soll keine litauische Waren mehr ins Land lassen

Die EU ist in einen ungewöhnlichen Handelskonflikt mit China geraten. Weil Peking seit mehreren Monaten die Einfuhr von Waren aus dem EU-Staat Litauen blockiert, hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen China bei der Welthandelsorganisation WTO eingeleitet. Hintergrund des Konflikts ist ein Streit um den Namen eines taiwanischen Handelsbüros in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Litauen brach im vergangenen Jahr mit jahrzehntealten diplomatischen Gepflogenheiten. Der EU-Staat im Baltikum erlaubte es, dass Taiwan seinem Büro in Vilnius den Namen „taiwanisches Vertretungsbüro“ gab. In anderen Ländern heißen diese Büros „Taipeh-Vertretung“ – nach der Hauptstadt des Inselstaats vor der chinesischen Küste.

Weil China Taiwan als Teil seines Territoriums ansieht, das keinen Anspruch auf diplomatische Anerkennung habe, eskalierte der Konflikt. Peking wies den litauischen Botschafter aus und zog seinen eigenen Botschafter in Litauen ab. Im vergangenen Monat schloss Litauen seine Botschaft in Peking.

Das war jedoch nicht das Ende der Spannungen. Vilnius wirft Peking vor, den Import und den Export von Waren aus Litauen zu blockieren. Das sieht auch die EU Kommission so. Die Behörde in Brüssel regelt den internationalen Handel im Namen aller 27 EU-Staaten. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte am Donnerstag, es gebe Beweise, dass China den Handel beschränke. Der chinesische Zoll fertige keine litauischen Waren mehr ab und Einfuhranträge aus Litauen würden abgelehnt. Auch übe China Druck auf Unternehmen aus anderen Teilen der EU aus. Sie müssten Litauen aus ihren Lieferketten streichen, wenn sie nach China exportieren wollten. [...]

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), sprach von einem „Angriff auf den EU-Binnenmarkt, aber auch auf globale Lieferketten“. Es gehe um Exporte aus Litauen nach China im Jahreswert von mehr als 300 Millionen Euro. Die Summe steige allerdings, weil auch Zulieferunternehmen aus der gesamten EU betroffen seien, sagte Lange.

„China will mit Handelsbeschränkungen politischen Druck auf Litauen ausüben“, so Lange. Es dürfe aber nicht sein, „dass der Handel als eine geopolitische Waffe gegen souveräne Entscheidungen von Staaten verwendet wird“, sagte Lange.

Der EU-Handelspolitiker forderte die EU-Staaten und das Europarlament auf, die Instrumente gegen „diese Art von Willkür und Zwang“ zu schärfen. Derzeit verhandeln EU-Staaten und Europaparlament über ein neues Gesetz, mit dem die EU künftig auf wirtschaftliche Erpressung durch Drittstaaten reagieren will. Lange hofft, dass es noch in diesem Jahr gelingen werde, das Instrument in Gang zu bringen.[...]