Das milliardenschwere Subventionsprogramm für den grünen Umbau der US-Wirtschaft hat in Europa alte Ängste geweckt: Greifen die USA im weltweiten Rennen um die Technologieführerschaft zu unfairen Mitteln, um der eigenen Industrie Vorteile zu sichern? Es tobt ein Streit um Marktanteile, Zukunftsaussichten und nicht zuletzt um die Frage, wie die Verbündeten miteinander umgehen, wenn der Wohlstand künftiger Generationen auf dem Spiel steht.

Und plötzlich klingt der nette Onkel Joe gar nicht mehr so nett. Es ist Donnerstag vorvergangener Woche, und der US-Präsident hat die amerikanische Hauptstadt verlassen. Er hat den Potomac überquert, der Washington nach Westen begrenzt, und sich die paar Meilen nach Springfield, Virginia, fahren lassen. Dort steht er nun vor Mitgliedern der lokalen Heizungsinstallateurgewerkschaft Steamfitters Local 602 und redet über seine Wirtschaftspolitik.

„Jahrzehntelang ist das Rückgrat Amerikas, die Mittelschicht ausgehöhlt worden“, kritisiert Biden. Zu viele gut bezahlte Jobs seien ins Ausland verlagert worden. „Diese Dynamik werden wir ändern“, kündigt er an. Und dann sagt er einen Satz, der selbst Tausende Kilometer weiter östlich auf der anderen Seite des Atlantiks Gehör findet. „Ich werde international dafür kritisiert, dass ich mich zu sehr auf Amerika konzentriere“, ruft Biden. „Zum Teufel damit!“

Es sind Töne, die die Europäer eigentlich überwunden glaubten, seit die Präsidentschaft von Donald Trump vor zwei Jahren endete. Die Erleichterung auf dem alten Kontinent war riesig, als der Wüterich das Weiße Haus verlassen musste. Zumal Nachfolger Biden bemüht war, die tiefen Gräben zuzuschütten, die Trump zwischen den Vereinigten Staaten und Europa aufgerissen hatte.

Biden in Wirtschaftsfragen mindestens ebenso hart wie Trump

Doch so freundschaftlich der Demokrat gegenüber den Verbündeten auch auftritt – wenn es um die Wirtschaftspolitik geht, fährt er einen mindestens ebenso knallharten Kurs. Unter Trump sei „Buy American“ (kauf amerikanisch) nur ein leeres Versprechen gewesen, hatte Biden bereits wenige Monate nach seiner Amtsübernahme gehöhnt und versprochen: „Meine Regierung wird ‚Buy American‘ wahr werden lassen.“

Im August 2022 folgten den Worten Taten. Da verabschiedete der Kongress ein umfangreiches Klima- und Sozialpaket, das aus Gründen des politischen Marketings den etwas verwirrenden Titel „Inflationsreduzierungsgesetz“ (IRA) trägt. Gigantische 369 Milliarden Dollar werden die USA im Laufe der nächsten zehn Jahre in Klimaschutz, Energiesicherheit und neue Umwelttechnologien investieren. Das Paket sieht sowohl Direktzahlungen als auch Steuervergünstigungen vor. So sollen die Amerikanerinnen und Amerikaner unter anderem einen satten Zuschuss von 7500 Dollar beim Kauf eines Elektroautos bekommen.

Der Haken aus europäischer Sicht: Das Geld fließt nur, wenn der Wagen in den USA oder seinen Freihandelspartnerländern Kanada und Mexiko produziert wurde. Auch die staatliche Förderung der Batteriefertigung oder anderer Erneuerbare-Energie-Projekte ist an einen immer größeren amerikanischen Fertigungsanteil gebunden. [...]

Biden entscheidet, die EU streitet

Monatelang hat von der Leyens Behörde deshalb an einer europäischen Antwort auf den Inflation Reduction Act gearbeitet. Ähnlich wie die US-Regierung will nun auch die EU-Kommission zukunftsträchtigen Unternehmen massiv mit Subventionen helfen. Unumstritten sind die Pläne der Kommission allerdings nicht – im Gegenteil.

Statt „Europe first“ solle das Programm besser „Europe fast“ heißen, sagt der Vorsitzende des mächtigen Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, im RND-Interview. Die Genehmigungsverfahren für grüne Technologien müssten beschleunigt werden. Es sei doch geradezu absurd, wenn ein Unternehmen, das grünen Wasserstoff für seine Produktion verwenden wolle, ein Jahr auf die behördliche Genehmigung warten müsse, klagt der SPD-Mann. [...]