Das Europäische Parlament hat ein neues Instrument zur Bekämpfung wirtschaftlicher Erpressung verabschiedet, mit dem die EU auf wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von außerhalb reagieren kann. Gleichzeitig sieht sich die EU jedoch selbst mit dem Vorwurf konfrontiert, mit ihrer Umweltpolitik Zwang auf andere auszuüben.

Während sich der Westen zunehmend über wirtschaftliche Abhängigkeit von China besorgt ist, will die EU in der Handelspolitik mehr Zähne zeigen.

Als einen der Bausteine dieses neuen Ansatzes haben die EU-Abgeordneten am Dienstag (3. Oktober) ein neues Instrument gegen „wirtschaftlichen Zwang“ verabschiedet. Dies umfasst Versuche von Drittstaaten, politische Entscheidungen in der EU zu beeinflussen.

Das neue Instrument gegen wirtschaftliche Nötigung wurde mit einer ungewöhnlich großen Mehrheit von 578 Stimmen angenommen, von ganz links bis ganz rechts. Nur 24 Abgeordnete stimmten gegen das neue Instrument, während sich 19 Abgeordnete der Stimme enthielten.

Wirtschaftlicher Zwang bezieht sich auf Versuche, die internen Entscheidungen der EU oder eines ihrer Mitgliedstaaten durch handelspolitische Maßnahmen wie Zölle oder Exportbeschränkungen zu beeinflussen.

„Dieses Instrument ermöglicht eine schnelle Reaktion auf Zwangsmaßnahmen, auf Druck anderer Länder“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange (S&D), Vorsitzender des Parlamentsausschusses für internationalen Handel, nach der Abstimmung.

„Während dieses Instrument zum Schutz vor Zwangsmaßnahmen als Abschreckung wirken sollte, werden wir auch in der Lage sein, bei Bedarf Maßnahmen zu ergreifen, um die Souveränität der Europäischen Union zu verteidigen“, fügte er hinzu.

Das neue Instrument wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2021 vorgeschlagen, unter anderem als Reaktion auf die chinesischen Sanktionen gegen Litauen. Diese wurden verhängt, nachdem Taiwan, auf das China Anspruch erhebt, eine diplomatische Vertretung in dem baltischen Staat eröffnet hatte.

In einer Debatte über das Instrument am Montag (2. Oktober) bezeichnete Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis das neue Instrument als ein „notwendiges Instrument, das den Interessen der EU und der Mitgliedstaaten dienen wird.“

„Das neue Instrument gibt uns die Mittel an die Hand, um in Situationen von Zwang für Arbeitsplätze und Industrien in der EU einzutreten“, fügte er hinzu. Das Instrument muss noch von Ministern der EU-Staaten formell angenommen werden, was im Oktober geschehen soll.

Internationale Verhandlungen werden schwieriger

„Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, dass die EU in dieser Frage eine Führungsrolle übernimmt, um die internationale Debatte im Einklang mit unseren Hauptinteressen zu gestalten“, sagte Dombrovskis weiter. Er fügte hinzu, dass das Thema auch in internationalen Verhandlungen zur Sprache gebracht werde.

Die Notwendigkeit eines neuen Instruments auf EU-Ebene ist auch eine Reaktion auf die mangelnde Effektivität der Welthandelsorganisation (WTO). Dort dauern die Verfahren sehr lange und die Wirksamkeit wird durch die Blockade der USA bei der Besetzung des höchsten „Gerichts“, des Berufungsgremiums der WTO, untergraben.

Während man einst hoffte, dass die WTO als Teil des sogenannten „Washingtoner Konsenses“ eine auf Regeln basierende globale Handelsordnung gewährleisten würde, „ist es absolut klar, dass der Washingtoner Konsensus von 1994 nicht mehr besteht“, sagte Lange während der Debatte.

„Heute haben wir eine fragmentierte Globalisierung mit sehr unterschiedlichen Interessen und verschiedenen Ländern, die sich nicht an faire Regeln halten“, fügte er hinzu.

Während sich die EU als rechtschaffener Verteidiger ihrer Souveränität gegen ausländische Zwänge sieht, wird ihre eigene Umweltpolitik selbst von einigen Staaten als wirtschaftliche Nötigung gesehen.

So betrachten einige Handelspartner der EU Maßnahmen wie den neuen CO2-Grenzzoll (CBAM) und das Anti-Abholzungsgesetz als Eingriff in ihre eigene Souveränität, da sie anderen Ländern von der EU festgelegte Regeln auferlegen und sie bei Nichteinhaltung durch Zölle oder Einfuhrbeschränkungen bestrafen.

EU sieht sich mit Erpressungsvorwürfen konfrontiert

Unter anderem Malaysia und Indonesien haben das Anti-Abholzungsgesetz der EU als „inhärent diskriminierend und bestrafend“ bezeichnet. Der indonesische Wirtschaftsminister Airlangga Hartarto sagte Euractiv im Juni, dass „es nicht an Europa liegt, uns zu sagen, dass wir nicht abholzen sollen.“

In einer früheren Erklärung hatte Airlangga das EU-Gesetz als einen Akt des „regulatorischen Imperialismus“ kritisiert.

Das EU-Gesetz zielt darauf ab, die Einfuhr von Rohstoffen wie Kakao, Kaffee, Palmöl und Holz in die EU zu verbieten, wenn sie mit der illegalen Abholzung von Wäldern in Verbindung gebracht werden, und stellt strenge Zertifizierungsanforderungen an die Unternehmen.

Die Europäische Kommission betonte im Gegenzug, dass „die weitere Abholzung eine direkte Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellt.“

Auch der sogenannte CO2-Grenzausgleich CBAM stößt auf Widerstand: Die brasilianische Regierung bezeichnete ihn als „grünen Protektionismus.“

„Die Auferlegung von Handelshemmnissen unter ökologischen Vorwänden normalisiert Verstöße gegen Handelsregeln zum Nachteil weniger verzerrender multilateraler Alternativen, schafft eine Handelslogik der Ausgrenzung und ermutigt zu Reaktionen, die zu einer größeren Fragmentierung des internationalen Handels führen“, schrieb die brasilianische Regierung in einer im Juli veröffentlichten Erklärung zum CBAM.

„Barrieren, die auf unilateralen Umweltnormen basieren, lenken den Handel auf weniger regulierte Märkte um, was sich vor allem auf kleine Produzenten in Entwicklungsländern auswirkt“, heißt es in der Erklärung weiter.

Am Sonntag (1. Oktober) begann eine Testphase für den CO2-Zoll, bei der Importeure ihre CO2-Emissionen melden müssen, aber noch keinen Preis zahlen.

Die brasilianische Regierung führt derzeit auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Mercosur-Block, die bis Ende des Jahres abgeschlossen werden sollen.

Auch diese Verhandlungen werden von Vorwürfen des Protektionismus unter dem Vorwand des Umweltschutzes überschattet. Diese zielen insbesondere auf die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach „Spiegelklauseln“ ab, welche die Anwendung von EU-Umweltvorschriften in anderen Ländern vorsehen würden.

Die brasilianische Regierung vermutet, dass dies vor allem dazu diene, französische Landwirte vor der südamerikanischen Konkurrenz zu schützen.

Während die EU offiziell vorgeschlagen hat, ein Nebenabkommen zum EU-Mercosur-Handelsabkommen einzuführen, das eine Verpflichtung zum Pariser Klimaabkommen enthält, hatte Brasiliens Präsident Lula dies als „inakzeptabel“ bezeichnet und darauf hingewiesen, dass „nicht einmal sie [die EU-Staaten] das Pariser Abkommen einhalten.“

Während die EU also ihren Handlungsspielraum mit einem neuen Instrument gegen Zwangsmaßnahmen durch andere stärkt, wird sie auch daran arbeiten müssen, Drittländer davon zu überzeugen, dass sie selbst keinen ungerechtfertigten Zwang ausübt.