In der freien Wirtschaft steht das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fast schon sinnbildlich für die Auswüchse der Bürokratie. Dementsprechend groß ist die Angst vor der europäischen Version des Gesetzes, die gerade in Arbeit ist. Der Vorsitzende des EU-Handelsausschusses, Bernd Lange, wies am Freitag in Hannover jedoch nicht nur alle Unkenrufe zurück, die vor einem neuen Bürokratiemonster warnen.

Der SPD-Politiker stellte auch ein viel besseres Lieferkettengesetz in Aussicht, das viele Fehler des deutschen LkSG beheben wird. „Wir werden präziser sein, was die Kriterien und die Auslegung betrifft als man das in Deutschland ist“, kündigte Lange bei einer Diskussionsveranstaltung des Wirtschaftsdienstes Niedersachsen an.

„Es wird keine Verschärfung der Gesetzgebung, sondern eine Schärfung der Perspektive“, sagte der Europapolitiker aus Hannover. Lange will die Einhaltung der Sorgfaltspflichten auf die Branchen beschränken, bei denen das auch wirklich relevant ist und nicht von den Beschäftigungszahlen abhängig machen, so wie es im deutschen Lieferkettengesetz geregelt ist. „Es ist ein Unterschied, ob wir Ahornsirup aus Kanada importieren oder Fahrräder aus Kambodscha“, betonte der Handelsexperte. Zuvor hatte er darauf hingewiesen, dass 25 Prozent der in der Bundesrepublik gekauften Fahrräder in der Militärdiktatur Kambodscha hergestellt werden, wo Dumpinglöhne gezahlt werden und Schweißarbeiten ohne Schutzkleidung stattfinden.

Dieser „risikobasierte Ansatz“ soll laut Lange durch eine Datenbank unterstützt werden, in der die Unternehmen alle relevanten Informationen über mögliche Zulieferer und Geschäftspartner finden sollen. „Das ist ein ganz entscheidendes Element des europäischen Ansatzes“, sagte der 67-Jährige. Mithilfe dieser Datenbank sollen die Firmen „die Risiken per Knopfdruck abrufen können“. Dadurch soll eine Überlastung der Betriebe verhindert und auch Rechtssicherheit geschaffen werden, weil sich die Unternehmen auf die Datenbank-Einträge berufen können.

„Wir verlagern keine Haftung auf die Unternehmen für Dinge, die wir voraussetzen“, betonte Lange. Offen sei dagegen, ob diese Datenbank von der EU selbst entwickelt oder vielleicht von einem „großen deutschen Softwarehaus“ eingekauft wird. „SAP hat so etwas ähnliches“, verriet der EU-Abgeordnete.

Ab 2024 gilt das deutsche Lieferkettengesetz auch für Unternehmen mit mindestens 1000 Beschäftigten im Inland, bisher liegt diese Grenze bei 3000 Angestellten. Wenn es nach Lange geht, wird die EU sogar noch niedriger gehen. „Die Parlamentsposition ist eindeutig: 250 Beschäftigte in mehreren Abstufungen“, sagte der Handelsausschussvorsitzende. Für die kleineren und mittleren Unternehmen aus Deutschland soll das EU-Gesetz am Ende trotzdem zu weniger Belastung führen. Offiziell sind diese zwar vom deutschen LkSG ausgenommen, praktisch aber doch betroffen.[...]