Rundblick vom 26.06.2017

Selten hat es eine solche Ballung an internationalem Konfliktstoff gegeben, der den freien

Welthandel massiv bedroht. „Ich hoffe, dass in dieser Situation die Nüchternheit und die Vernunft

siegen werden“, sagt Bernd Lange (SPD) aus Hannover, niedersächsischer EU-Abgeordneter und

Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im EU-Parlament. Die Entwicklungen in

China und auch in Großbritannien lassen ihn die Lage eher zuversichtlich einschätzen, sagt er, mit Blick

auf nationalistische Tendenzen und Abschottungspolitik im Umfeld von US-Präsident Donald Trump

aber überwiege die Skepsis. Sobald es zu Einschränkungen im Handel mit diesen drei Ländern

kommen sollte, könne die niedersächsische Wirtschaft stark davon betroffen sein.

Nach Großbritannien gehen 7,5 Prozent der niedersächsischen Exporte, zur Hälfte geht es um

Autos. Zu Beginn des nächsten Jahres starten die EU-Verhandlungen mit London über die Frage, wie

sich die Handelsbeziehungen nach dem Brexit entwickeln werden. Bis Oktober müsse man eine

Einigung erzielt haben, da das Ergebnis bis zum Inkrafttreten im April 2019 noch alle nationalen

Parlamente der EU passiert haben muss. Wenn es keine Verständigung gibt, trete automatisch die

Regeln in Kraft, dass ein EU-Außenzoll von zehn Prozent verlangt werden muss. Dies will Lange

verhindern.

Er wirbt dafür, im Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien auch künftig auf Zölle ganz zu

verzichten. Der Austritt aus der EU müsse ja nicht zwingend eine Abkehr von der Zollunion und vom

Binnenmarkt bedeuten. Für eine weiterhin enge Kooperation spreche auch die Tatsache, dass die

Briten etwa bei ihrer Autoproduktion stark auf Zulieferer und auch auf Arbeitskräfte aus der EU

angewiesen seien. Probleme sieht Lange bei Agrarprodukten. Es könne sein, dass London Zölle auf

den Import von Schweinefleisch und Geflügel verlangen werde, um die heimischen Bauern zu

schützen. Mit Agrarexporten von 821 Millionen Euro ist Großbritannien das zweitgrößte Zielland der

Exporte aus der niedersächsischen Ernährungsindustrie.

China ist laut Lange mit 4,6 Prozent der achtgrößte Export-Partner der niedersächsischen

Wirtschaft, auch hier macht die Fahrzeugindustrie fast 40 Prozent der Waren aus. Ein 15-jähriges

Übergangsprotokoll, das in Deutschland etwa zum Schutz gegen Dumping-Preise beim Stahl diente,

ist ausgelaufen, eine Anschlussregel gibt es noch nicht. Lange sieht mit Sorge, dass China sich immer

stärker gegen ausländische Investoren abschottet, während chinesische Investoren hierzulande immer

mehr vordringen – jüngst etwa in der Helmstedter Müllverbrennungsanlage EEW. Er sei dafür, den

Chinesen stärkere Investitionskontrollen in Deutschland anzudrohen, sollten sie sich nicht im Gegenzug

selbst für Investoren aus der EU öffnen. „Die große Keule“ solle man dabei nicht rausholen, meint

Lange. Denn die protektionistischen Strömungen in den USA führten dazu, dass auch die Chinesen

wieder mehr Interesse an einer engeren Kooperation mit der EU zeigten. „Sie wollen die Lücke füllen,

die der Rückzug der USA aus dem Welthandel aufreißt.“

Die USA bereiten dem EU-Handelspolitiker, wie er sagt, derzeit das größte Kopfzerbrechen. In der

Umgebung von Präsident Trump würden Freihandelsbefürworter und Abschottungspolitiker einen

Machtkampf austragen. Das zeige sich dann an absurden Entscheidungen wie den Einfuhrzöllen für

Stahl, von dem die Salzgitter AG betroffen ist. Mit 6,8 Prozent der niedersächsischen Exporte seien die

USA der viertgrößte Handelspartner. Lange erwartet, dass die US-Administration den Protektionismus

noch verstärken könne, er befürworte in diesem Fall ein WTO-Klageverfahren, das allerdings zwei Jahre

bis zur Entscheidung brauche. Der EU-Abwehrmechanismus gegen Rindfleisch, das mit künstlichen

Hormonen behandelt wurde, könne leicht mit einem Strafzoll für europäische Motorräder beantwortet

werden. „Da lodert ein Konflikt“, sagt der SPD-Politiker.