Die EU-Kommission wird heute im Detail ihre Antwort auf den sogenannten Inflation Reduction Act der US-Regierung vorstellen. Der sogenannte Industrieplan für den grünen Deal für das CO2-neutrale Zeitalter umfasst neben dem bereits in der letzten Woche temporär geänderten Beihilferahmen und den Änderungen an der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, das Gesetz über eine Co2-neutrale Industrie (Netto-Null-Industrie-Gesetz) sowie das Gesetz zu den kritischen Rohstoffen und die gestern vorgestellte Reform des Strommarktdesigns. Flankiert werden die Gesetzesvorschläge noch mit einer Roadmap zum Aufbau einer europäischen Wasserstoff-Bank und einer EU-Strategie für eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange:

„Die Maßnahmen werden ein Gamechanger für die europäische Industriepolitik und unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sein. Ein Handeln war längst überfällig, sonst hätten wir das Nachsehen gehabt. Es war an der Zeit, dass wir uns langfristig und umfassend über unsere Wettbewerbsfähigkeit Gedanken machen. Wir müssen wieder agieren statt nur zu reagieren. Denn genau diese Langfristigkeit ist zentral, sowohl für Investitionen, als auch für das Gelingen der Transformation. Der neue Industrieplan kann somit zur Blaupause für eine erfolgreiche Transformation werden, da er sie bewusst ins Zentrum rückt und nachhaltig betrachtet. Transformation wird nicht nur als Herausforderung, sondern als Chance gesehen und dementsprechend strategisch angegangen.

Unser neues Leitmotiv ist „Europe Fast“. Und das zurecht; denn der Erfolg im Green-Tech-Bereich steht und fällt mit der Umsetzungsgeschwindigkeit. Wer wartet oder abwartet, der verliert. In Europa dauern die Genehmigungsverfahren noch viel zu lang. Das muss sich so schnell wie möglich ändern. Dafür bietet das Netto-Null-Industrie-Gesetz mit seinen verkürzten Genehmigungsverfahren und der fokussierten Förderung von Produktionsstätten in zukunftsträchtigen und strategisch wichtigen Bereichen genau den richtigen Rahmen. Wir müssen unsere Kräfte hier bündeln, um im globalen Wettbewerb nicht nur zu bestehen, sondern eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Allerdings müssen wir die Kriterien der Versorgungssicherheit bei der öffentlichen Auftragsvergabe genau unter die Lupe nehmen. Die Anforderungen müssen so passgenau gestaltet sein, dass sie im Einklang mit internationalem Handelsrecht sind und nicht in neuen Handelskonflikten münden. Wir dürfen uns am Abgesang auf den regelbasierten Handel nicht beteiligen sondern müssen die Fahne des Multilateralismus weiter hoch halten

Gerade Niedersachsen, als Standort für grüne Technologien, kann von dem neuen Industrieplan enorm profitieren und bekommt Rückenwind aus Europa. Unseren Unternehmen muss ein passendes Investitionsklima in Europa geboten werden, damit sie nicht wo anders hin abwandern. Dank der neuen Instrumente, wie u.a. der Steuervorteile oder spezielle EU-Mittel, hat Niedersachsen noch mehr Möglichkeiten, seine Vorreiterrolle, beispielsweise im Bereich Wasserstoff, weiter auszubauen. Ein wichtiger Baustein für den Wasserstoffhochlauf in der EU kann deshalb auch die geplante europäische Wasserstoffbank sein. Wir müssen einen finanziellen Rahmen schaffen, damit auch die Wasserstoffproduktion in Europa konkurrenzfähig wird und bleibt.

Die neue Industriestrategie steht und fällt allerdings mit der Verfügbarkeit von kritischen Rohstoffen, wie z.B. Lithium, Kupfer oder Kobalt. Da muss sich Europa aus der Abhängigkeit von einzelnen Staaten befreien. Die Lieferketten müssen noch mehr diversifiziert werden. Statt zudem, wie in der Vergangenheit, den Weg der reinen Ausbeutung weiterzugehen, brauchen wir Nachhaltigkeit in unserer Rohstoffpolitik. Das bedeutet, dass wir unsere eigenen Ressourcen mobilisieren, das Recycling deutlich steigern ( z.T. haben wir bei kritischen Rohstoffen Recyclingquoten unter 20%) und neue Handelspartnerschaften aufbauen. Das Gesetz zu den kritischen Rohstoffen setzt deshalb an der richtigen Stelle an. Allerdings brauchen wir strenge Nachhaltigkeitsstandards für EU-Lieferanten von wichtigen Rohstoffen. Da darf es keine Abstriche aus wirtschaftlichen Interessen geben. So haben wir die Chance die Neuorientierung zu einer nachhaltigen Handelspolitik weiter zu entwickeln. Das bedeutet aber auch, dass wir bereit sind, unser Handelsschutzarsenal einzusetzen, um Dumping, gerade durch Missachtung von Arbeitnehmerrechten oder Umweltschädigungen aus Ländern mit niedrigeren Standards, zu verhindern.

Genau geprüft werden muss in den ganzen Gesetzgebungen auch die Einbeziehung des Europäischen Parlaments. Gerade bei den Partnerschaften für die kritischen Rohstoffe führt an einer aktiven Beteiligung und parlamentarischen Kontrolle durch die europäische Volksvertretung kein Weg vorbei“

Der Green Deal Industrial Plan und der neue Net-Zero-Industry-Act sollen aus bestehenden Mitteln bis 2030 finanziert werden. Der EU-Souveränitätsfonds, für den im Sommer dieses Jahres ein Vorschlag folgen soll, soll die Pläne mittelfristig ergänzen.