Die EU und die USA sind in einem Handelskonflikt verhakt. In scharfem Ton kritisieren die Europäer ein US-Programm, mit dem Präsident Joe Biden Investitionen in den Klimaschutz fördern will. Warum der Streit eine gefährliche Wendung nehmen könnte und was Europa dagegen tun kann, sagt der einflussreiche EU-Handelspolitiker Bernd Lange im RND-Interview. Der SPD-Politiker Bernd Lange (67) ist Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament. Das Gremium gehört zu den mächtigsten im EU-Betrieb. Denn das Europaparlament hat weitreichende Kompetenzen in der Handelspolitik.

Herr Lange, die EU kritisiert das milliardenschwere Programm der USA für Investitionen in den Klimaschutz. Zu Recht?

Die EU kritisiert das Gesetz absolut zu Recht. Da geht es gar nicht um die Frage, wie viele Milliarden die USA einsetzen wollen. Unsere Kritik richtet sich gegen die Pläne, dass nur Rohstoffe, Vorprodukte und Produkte aus den USA gefördert werden sollen. Damit sind europäische Produkte, aber auch Produkte aus Südkorea und Japan ausgeschlossen. Das ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung und ziemlich unfair.

Nennen Sie bitte ein konkretes Beispiel.

Das beste Beispiel sind Elektroautos. In den USA wird künftig ein Ford steuerlich gefördert, wenn er in den USA hergestellt wird. Das gilt auch für die Batterie. Ein Hyundai oder ein Volkswagen, die komplett in Südkorea oder in Europa gebaut worden sind, bekommen die Vergünstigung nicht. Das führt dann dazu, dass europäische Unternehmen ihre Autos in den USA schwerer verkaufen können oder vielleicht ihre Investitionen in die USA umleiten. Ich weiß von einigen Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien, die das bereits getan haben. Das ist vielleicht noch schlimmer als der Ausschluss von europäischen Produkten.

Aber die EU will doch ebenfalls Milliarden von Euro für Investitionen in den Klimaschutz aufbringen. Wo ist denn der Unterschied zu den Plänen der USA?

Wir in Europa fördern die Sache, nicht das Produkt. Wenn bei uns eine Windkraftanlage gefördert wird, dann ist es egal, ob der Stahl aus Salzgitter oder aus Japan kommt. Wir halten uns an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Das ist der große Unterschied.

Unterhändler der EU versuchen derzeit, die Amerikaner zu Zugeständnissen zu bewegen. Wird das klappen?

Ich glaube nicht. Die Sache ist gegessen. Der Senat und das Repräsentantenhaus in den USA haben das Gesetz beschlossen. Es wird sicherlich ein paar Übergangsregelungen geben und ein paar Ausnahmen, aber keine grundlegenden Änderungen mehr.

Und dann?

Wenn es keine friedliche Lösung gibt, dann sollte die EU die USA bei der WTO verklagen. Das haben wir in anderen Fällen auch gemacht, zum Beispiel bei den illegalen Zöllen auf Stahl oder spanische Oliven.

Ist das nicht ein unfreundlicher Akt unter Partnern?

Das finde ich nicht. Das kann man auch unter Freunden machen. Dazu gibt es schließlich die WTO. Dort werden solche Handelsstreitigkeiten ausgetragen.

Aber ein Verfahren dauert einige Jahre. EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen schlägt stattdessen vor, die rigiden Vorschriften für staatliche Beihilfen in der EU zu lockern, um Investitionen zu erleichtern. Was halten Sie davon?

Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Wir haben schon ein breites Spektrum von Beihilfen für Klimaschutz und Innovationen. Ich halte nichts davon, jetzt das Geld mit dem Füllhorn auszuschütten. Das könnte zu Verwerfungen in der EU führen. Es darf nicht zu einem Subventionswettlauf zwischen den EU-Mitgliedsstaaten kommen. Es gibt da einige Staaten, die das finanziell nicht verkraften würden.

Und was halten Sie von einem EU-Sonderfonds für industrielle Entwicklung, wie er der Kommissionspräsidentin offenbar vorschwebt?

Ich bin skeptisch, ob es gelingen kann, nach dem Corona-Fonds noch einen signifikanten Fonds auf europäischer Ebene einzurichten. Wir wissen alle, wie schwierig es ist, europäisches Geld zu generieren. Außerdem bringt so ein Fonds das Risiko mit sich, dass wir vielleicht Unternehmen subventionieren, die gar nicht so viel Unterstützung brauchen. Ich sage klar Nein zu einer Subventionierung nach dem Gießkannen-Prinzip.

Ursula von der Leyen denkt an die Gründung eines „Clubs für kritische Rohstoffe“, in den die EU und die USA eintreten, um die Dominanz Chinas in diesem Bereich zu brechen. Kann das klappen?

Das ist eine gute Idee. Gerade im Bereich der Seltenen Erden, die wir für innovative Produkte in Zukunft noch stärker brauchen werden, kann es nicht schaden, der Dominanz Chinas etwas entgegenzusetzen. In so einem Club sollten aber auch Japan und Südkorea mitmachen.

Stehen wir vor einem Handelskrieg mit den USA?

Angesichts des brutalen Kriegs in der Ukraine will ich lieber von einem Handelskonflikt sprechen. Und den gibt es bereits. In den USA finden alle zwei Jahre irgendwo Wahlen statt. Deswegen gucken die Amerikaner so auf ihre Industriearbeitsplätze – ob das gesamtökonomisch sinnvoll ist oder nicht. „America first“, das ist in den USA strukturell eingebaut. Das führt automatisch zu Konflikten mit der EU.

Zeit also für „Europe first“?

Ich halte nichts davon, jetzt die gleichen Waffen wie die USA aus der Kiste zu holen. So wie das die Franzosen sagen. Das würde nur den Konflikt weiter eskalieren. Wir können doch nicht ständig anmahnen, dass sich alle an Regeln halten müssen. Und dann brechen wir selbst die Regeln. Von „Europe first“ sollten wir die Finger lassen. Ich finde „Regeln first“ sehr viel sympathischer.