Lange wirbt für ein soziales, solidarisches Europa
Bericht von H. Häger
Bernd Langes Wahlkreis reicht von der Küste bis zum Harz. Der Abgeordnete vertritt halb Niedersachsen im Europaparlament, kümmert sich dort vor allem um Industrie- und Handelspolitik. Am 21. November kam er auf Einladung der Südstadt-SPD zu einer Stadtteil-versammlung nach Itzum.
Das Thema und der Gast hätten ein größeres Publikum verdient.
Aber, wie Versammlungsleiter Hartmut Häger einleitend sagte: „Geht es um den neuen OB oder die Änderung des Bebauungsplans, platzt dieser Raum aus den Nähten. Steht Europa auf der Tagesordnung, hält sich das Interesse in engen Grenzen.“ Und das, obwohl am 25. Mai 2014 die Europawahl stattfindet, das Europäische Parlament seit dem Lissabon-Vertrag erheblich an Macht gewonnen hat und Bernd Lange ein politisches Schwergewicht der Sozialdemokraten in Europa ist.
„Wer sich über ‚Europa‘ ärgert, darf gerade nicht zuhause bleiben“, riet Lange. Mit Jacques Delors als Kommissionspräsident und einer Parlamentsmehrheit der Sozialdemokraten und Grünen setzten achtzig Gesetze in den 1990er Jahren wichtige soziale Standards, die Europa von der Wirtschaftsunion zur Sozialunion weiterentwickelten. Heute seien die erste und zweite Kammer, das Parlament und der Ministerrat, konservativ dominiert, und José Manuel Barroso sei ein marktliberaler konservativer Präsident. Gegen ihn tritt bei der kommenden Wahl der sozialdemokratische Parlamentspräsident Martin Schulz an. Im Mai 2014 gehe es auch um einen Führungswechsel in Europa, ja, um einen Politikwechsel.
Lange nannte Beispiele: „Wir brauchen ein gesamteuropäisches Betriebsverfassungsrecht und Tarifrecht, ein Insolvenzrecht für Banken, Regeln gegen Lohndumping bei Wanderarbeitern, eine Arbeitsgarantie für Jugendliche wie in Österreich.“ Die Jugend sei systemrelevant, meinte Lange mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland (60 Prozent) oder Spanien (50 Prozent). Eine sozialdemokratische Mehrheit würde nicht zulassen, dass die Banken unter den Rettungsschirm flüchten können während man die jungen Menschen im Regen stehen lasse. Wirklich weiter sei man mit der Kontrolle des Fi-nanzsektors auch noch nicht gekommen.
Bernd Lange trat entschieden Vorurteilen entgegen, die vor allem in der Krise regen Zu-spruch fänden. So sei der Jahreshaushalt der Europäischen Union mit rund 140 Milliarden Euro nur halb so groß wie der Bundeshaushalt. Für die Verwaltung würden davon gerade einmal fünf Prozent aufgewendet. Mit dem Rest würden die vom Parlament beschlossenen Maßnahmen finanziert. „Etliches davon fließt auch nach Niedersachsen und in die Region Hildesheim zurück“, erinnerte Lange. In Jugendwerkstätten beispielsweise, in die Leader-Region im Leinetal oder in die Landwirtschaft, für die jetzt auch das Parlament zuständig sei. „Wir wollen wegkommen von der flächenbezogenen Förderung und hin zur leistungsbezogenen“, kündigte der Abgeordnete an.
Angesprochen auf die antieuropäische Stimmungslage meinte Lange, es sei schon bezeich-nend, dass sie gerade bei den Gründungsmitgliedern der EWG angewachsen sei, während sich die neuen Mitgliedern dem „Projekt Europa“ noch stark verbunden fühlen. Im Europäi-schen Parlament seien die 28 Staaten nicht am eigenen nationalen Wohl interessiert, dort ringe man in politischen Fraktionen um die richtigen Kurs für Europa. Das gemeinsame eu-ropäische Interesse sei der Garant für den Frieden, der seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa erhalten und für den Wohlstand der erreicht werden konnte.
Das, wenigstens, sollten die Wählerinnen und Wähler am 25. Mai 2014 nicht vergessen.