"Neue Chance für Lösung des Handelsstreits"

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel werden US-Präsident Joe Biden am Freitag, 20. Oktober 2023 im Weißen Haus in Washington treffen - das zweite Gipfeltreffen zwischen den USA und der EU seit Bidens Amtsantritt. Auf der Agenda steht die enge Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, einschließlich handelspolitischer Streitfragen.
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament:
"In
diesem turbulenten geopolitischen Klima müssen wir die möglicherweise
letzte verbleibende Gelegenheit unter der derzeitigen EU-Kommission und
der US-Regierung nutzen, um Lösungen für Handelsstreitigkeiten zu
finden. Dabei sollten wir jedoch unseren Werten, unseren Vorschriften
und unserem Engagement für das internationale Handelssystem treu
bleiben. Ein Abkommen über kritische Rohstoffe mit den USA würde die
Wettbewerbsbedingungen angleichen und Unternehmen mit Sitz in der EU die
Möglichkeit geben, sich an den Lieferketten für die Produktion von
Batterien für Elektrofahrzeuge zu beteiligen und damit einen Teil des
Schadens rückgängig machen, der durch den Inflation Reduction Act (IRA)
entstanden ist. Ein solches Abkommen könnte uns auch dabei helfen,
gemeinsam gegen Arbeitsfragen in den kritischen Rohstofflieferketten in
Drittländern vorzugehen. Allerdings sollte jeder Partner dies mit seinen
eigenen Mitteln und Instrumenten tun.
Ein zweites
wichtiges Ergebnis könnte ein Rahmen für ein künftiges globales Abkommen
über nachhaltigen Stahl und Aluminium sein. Dies wäre ein
Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Lösung, die Trumps illegale
232-Zölle und die entsprechenden EU-Gegenmaßnahmen dauerhaft aufheben
würde. Eine solche Vereinbarung würde Erleichterung und Rechtssicherheit
für viele Sektoren auf beiden Seiten des Atlantiks bringen, die in den
letzten Jahren stark gelitten haben. Dennoch sollten wir nicht um jeden
Preis eine Einigung erzielen. Erstens sollte jedes Abkommen vollständig
WTO-kompatibel sein. Das bedeutet, dass, wenn wir unsere bestehenden
handelspolitischen Schutz-Instrumente einsetzen, um gegen nicht
marktbestimmte Überkapazitäten vorzugehen, diese weiterhin auf
objektiven Untersuchungen und nicht auf politischen Erwägungen beruhen
sollten. Auf keinen Fall sollte die EU einem Rahmen zustimmen, der die
WTO untergräbt, das multilaterale Handelssystem schwächt und zu noch
mehr Protektionismus und einer fragmentierten Globalisierung führen
würde.
Wenn sie abgeschlossen werden, bedürfen beide als
sogenannte EU-only-Abkommen nur noch der Zustimmung des Europäischen
Parlaments, bevor sie in Kraft treten. Ausschlaggebende Faktoren bei der
Beurteilung beider Abkommen werden für das Europäische Parlament die
Kompatibilität mit der WTO sein, die Wahrung unserer eigenen
regulatorischen Unabhängigkeit sowie der Beitrag zu einem nachhaltigeren
Handel. Wir sind bereit, schnell auf die Ergebnisse des Gipfels zu
reagieren. Aber ich bin nicht bereit, die WTO zu untergraben oder Partei
für die USA und China zu ergreifen. Die EU muss ihren eigenen Weg
einschlagen."
Bernd Lange
Niedersachsen