Beim zweiten EU-USA-Gipfel mit Präsident Biden soll Einigkeit demonstriert werden. Nur bei Wirtschaftsfragen gelingt das nicht so ganz. Da hat jede Seite eigene Interessen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Wenn es nach den europäischen Gipfelteilnehmern, EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht, wird das Treffen im Weißen Haus in Washington ein neuer Beweis für einzigartige transatlantische Harmonie. Es gebe ein "nie dagewesenes hohes Niveau der Kooperation" schwärmen EU-Diplomaten vor dem zweiten Gipfel mit US-Präsident Joe Biden. Das trifft vor allem auf die Außen- und Sicherheitspolitik zu. Sowohl in der Hilfe für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland als auch in der Unterstützung Israels bei der Verteidigung gegen Hamas-Terror sind sich die EU und die USA einig. Gemeinsam will man die wachsenden Machtgelüste Chinas eindämmen, auf den globalen Süden zugehen, Iran und Nordkorea in Schach halten.

Zurückhaltung im Weißen Haus?

Joe Biden freue sich auf den Besuch aus Brüssel, liest man in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Man werde "gemeinsam den Wandel hin zu einer sauberen Energiewirtschaft voranbringen", verspricht die Pressemitteilung des Präsidenten. Etwas nüchterner wird es dann, wenn es um den transatlantischen Handel und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit geht. "Wir werden gemeinsame Aktivitäten überprüfen", heißt es eher schmallippig. Auch EU-Diplomaten in Brüssel räumen ein, dass es bei den Handelsgesprächen immer noch im Getriebe knirscht: "Es gibt Differenzen und EU-Interessen, die es zu verteidigen gilt."

Werden Strafzölle weiter eingefroren?

Verglichen mit seinem rabiaten Vorgänger Donald Trump hat die Europäische Union mit Präsident Joe Biden große Fortschritte gemacht. Trump verhängte willkürliche Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa. Biden legte diese Zölle wenigstens wieder auf Eis. Ein langjähriger Streit vor der Welthandelsorganisation wurde vermieden. Verhandlungen zur Beseitigung der Zölle konnten aber vor dem Gipfel in Washington nicht abgeschlossen werden. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange (SPD), setzte im Gespräch mit der DW darauf, dass die Zölle wenigstens weiter ausgesetzt bleiben, und zwar bis zum Ende des Jahres 2024, also nach dem Wahltermin in den USA im November 2024. "Zwei Jahre Waffenstillstand bei Stahl- und Aluminiumzöllen laufen am 31. Oktober aus. Nun geht es darum, genau hier eine permanente Lösung zu finden. Das ist noch nicht geklärt", sagte Lange in Straßburg. Der "Waffenstillstand" war beim ersten Gipfeltreffen der EU mit Joe Biden im Juni 2021 ausgehandelt worden.

Subventionsbingo auf beiden Seiten des Atlantiks

Weiter umstritten ist der "Inflation Reduction Act" (IRA), mit dem die amerikanische Regierung 370 Milliarden Dollar an Subventionen über zehn Jahre maßgeblich an amerikanische Unternehmen verteilt, um Investitionen in grüne Energie und Technik auszulösen. Zwar sind die negativen Auswirkungen des IRA auf europäische Unternehmen bei Weitem nicht so stark wie vor einem Jahr mit großem Aufschrei befürchtet, aber einige Unternehmen aus Europa haben sich entschlossen, neue Produktionsstätten für Wasserstoff, Elektrofahrzeuge und andere "grüne" Produkte beispielsweise in Texas statt in Bayern zu bauen. "Das Problem ist, dass die Subventionen nur für Produkte gezahlt werden, die in den USA hergestellt werden. Damit gibt es ein Ausgrenzen von europäischen Produkten. Es gibt einen Verlagerungsdruck", bemängelt der Handelsexperte des Europäischen Parlaments, Bernd Lange. [...]

Es gab einen ersten Versuch für ein Handelsabkommen mit Namen TTIP, der von Donald Trump einkassiert wurde. Einen zweiten Anlauf würde es wohl auch während einer zweiten Amtszeit des Demokraten Joe Biden kaum geben, schätzt Bernd Lange vom Handelsausschuss des Europäischen Parlaments. Er hatte den TTIP, den transatlantischen Handels- und Investitionspakt, jahrelang mit ausgehandelt und meint etwas resigniert gegenüber der DW: "TTIP wäre wünschenswert, aber man wird im Moment kein Abkommen abschließen, wo die USA Verpflichtungen gegenüber Drittstaaten eingehen. Das ist im Kongress nicht durchsetzbar." Der Kongress, das US-Parlament, müsste mit beiden Kammern einem Handelsabkommen zustimmen. Das trifft sowohl bei Republikanern als auch bei Demokraten auf Ablehnung.