Vergeltung mit Risiko: Niedersachsen gerät im Zollstreit mit den USA in die Schusslinie

Meine Einschätzungen zum Zollstreit in der "Rundblick"-Ausgabe vom 17.03.2025.
Mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent auf Stahl und Aluminium hat US-Präsident Donald Trump den Handelskrieg gegen die Europäische Union neu entfacht ‑ nun reagiert Brüssel mit Gegenmaßnahmen. Die EU-Kommission setzt die Vergeltungszölle aus Trumps erster Amtszeit wieder in Kraft. Diesmal sollen jedoch weit mehr US-Waren betroen sein: Neben Motorrädern, Videospielkonsolen, Booten und Bourbon-Whiskey werden auch zahlreiche weitere Produkte mit Importzöllen belegt. Das Volumen der Strafmaßnahmen soll von bisher 8 auf 26 Milliarden Euro steigen, um die US-Zölle auf europäische Waren im Wert von 28 Milliarden Euro auszugleichen. Doch der Handelskonikt birgt Risiken, insbesondere für die niedersächsische Wirtschaft.
„Die USA sind der wichtigste Handelspartner Niedersachsens außerhalb der EU mit etwa 7,2 Milliarden Euro Umsatz“, erklärte der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende
des EU-Handelsausschusses, Bernd Lange, bei einem Pressegespräch in Hannover. Besonders betroffen seien Exporte aus den Bereichen Fahrzeugbau, Fahrzeugteile, Maschinenbau und Pharma.
„Wenn darauf nun ebenfalls 25 Prozent Zölle erhoben werden, haben wir ein ernsthaftes Problem - vor allem Volkswagen“, warnte Lange. Auch andere niedersächsische Unternehmen könnten unter den Vergeltungsmaßnahmen leiden. So könnten etwa die angedrohten US-Zölle auf europäische Spirituosen die Wolfenbütteler Likörbrennerei Mast-Jägermeister treen, die ein Drittel ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten erzielt.
Lange mahnt daher zur Vorsicht bei der Auswahl der neuen Strafzölle. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der bislang angekündigten Maßnahmen seien relativ gering ‑ sie würden nur 0,02 Pro-
zent des europäischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. „Für die Stahlindustrie ist das zwar ein Einbruch“, räumte er ein, doch Unternehmen wie die Georgsmarienhütte-Gruppe und die Salzgitter AG erwirtschafteten weniger als zehn Prozent ihres Umsatzes in den USA. Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, müsse die EU mit Fingerspitzengefühl vorgehen, so Lange. Die US-Tech-Industrie dürfte daher zunächst verschont bleiben. Stattdessen konzentrieren sich die EU-Gegenmaßnahmen auf Stahl- und Aluminiumprodukte wie Röhren, Pumpen, Gerüste oder Fensterrahmen sowie auf Kosmetika, Textilien, Lederwaren, Haushaltsgeräte, Werkzeuge und Agrarprodukte ‑ möglicherweise auch Sojabohnen.
Eine Verhandlungslösung wäre Lange lieber als ein Säbelrasseln mit Washington. Doch Trump und sein Wirtschaftsberater Peter Navarro ließen sich bislang nicht in die Karten schauen. „Es ist
schwierig zu verhandeln, wenn man nicht weiß, was der andere will“, sagte Lange. Sicher sei jedoch, dass Trumps kompromisslose Zollpolitik in den USA parteiübergreifend unterstützt werde.
Die Rechtsgrundlage für die Strafzölle stammt aus dem Jahr 1962 und wurde auch unter demokratischen Regierungen nie abgeschat, sodass Trump per Exekutivanweisung weitgehend frei agieren kann. „Die Demokraten sind zwar gesprächsbereiter, aber strukturell denken sie ähnlich“, so Lange.
Der Handelskonikt könnte nachhaltige Folgen für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen haben. Europa sucht daher verstärkt nach neuen Partnern. Ein geplantes Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela) könnte den Handel verstärkt nach Südamerika lenken. „In Lateinamerika gibt es verlässliche Partner, das sind
stabile und vertragstreue Länder“, betonte Lange. Auch Indonesien, das 2023 Partnerland der Hannover-Messe war und über die weltweit größten Nickelvorkommen verfügt, signalisiert Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit der EU. Die Verhandlungen über ein Abkommen laufen bereits. Dabei müsse Europa aber fair und auf Augenhöhe agieren, mahnte Lange. Weitere Länder, mit denen die EU ihre Handelsbeziehungen ausbauen könnte, seien Australien, Thailand sowie mehrere afrikanische Staaten wie die Elfenbeinküste, Ghana, Kenia und Angola. „Wir haben bereits ein Netz von 44 Handelsabkommen mit über 70 Ländern, in denen solche Willkürmaßnahmen wie in den USA nicht möglich sind“, betonte der EU-Handelsausschussvorsitzende. (cwl)