„Zurück auf Anfang unmöglich - aber offensichtliche Schwächen des EU-US Deals müssen durch Leitplanken nachgebessert werden“
EP-Verhandlungsführer Bernd Lange stellt Verbesserungsvorschläge vor.
Knapp drei Monate nach dem sogenannten EU-US Deal von Turnberry herrscht bezüglich der konkreten Umsetzung und der Auslegung des Abkommens noch immer große Unklarheit und Unsicherheit. Der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses hat heute im federführenden EP-Handelsausschuss erstmals seine konkreten Vorschläge zur rechtlichen Ausgestaltung des EU-US Deals vorgestellt und will dabei den Entwurf der EU-Kommission an zentralen Stellen nachbessern.
„Auch wenn der Blick nach vorne geht und es keinen Sinn mehr macht, darüber zu diskutieren, ob ein besserer Deal möglich gewesen wäre, steht trotzdem außer Frage, dass der Deal und das darauffolgende Joint Statement eben nicht für Stabilität gesorgt haben. Gleiches gilt leider auch für den Vorschlag der Europäischen Kommission zur legislativen Umsetzung des Deals. Der hat sichtbare Konstruktionsfehler, die uns früher oder später um die Ohren fliegen könnten bzw. dies schon tun. Um die europäischen Unternehmen und Verbraucher so weit wie möglich dagegen zu schützen, sollte der Vorschlag an zentralen Stellen nachgebessert werden. Nur so kann das Abkommen dem zentralen Ziel gerecht werden, für Sicherheit zu sorgen. Wir brauchen also zumindest klare Leitplanken.“
Als zentrales Element fordert Bernd Lange, der EP-Verhandlungsführer, deswegen einen klaren zeitlichen Rahmen von 18 Monaten. „Diese Zollpräferenzen bzw. der überwiegend zollfreie Zugang für amerikanische Güter auf den europäischen Markt kann kein endloser Blankocheck sein, das muss zeitnah wieder auf den Prüfstand. Zudem kommen wir damit auch wieder zurück auf den Weg der WTO-Kompatibilität. Verbunden mit der sogenannten „sunset clause“ ist auch ein klares Monitoring. Nach 6 Monaten muss ein erster Bericht über die Auswirkungen der umfassenden Zollpräferenzen vorliegen, nach 12 Monaten eine komplette Folgekosten-Schätzung. Damit dürfte der Blindflug dann ein Ende haben. Deshalb sollten wir als zusätzliches Sicherheitsnetz für unsere europäischen Unternehmen, Landwirte und VerbraucherInnen auch noch eine automatische Schutzmaßnahme (Safeguard) einführen, die analog zum Mercosur-Abkommen, beim Überschreiten einer bestimmten Importmenge zum Tragen kommt. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der zahlreichen amerikanischen, landwirtschaftlichen Güter, die zukünftig nahezu zollfrei in die EU eingeführt werden sollen, noch einmal eine zusätzliche Leitplanke.“
Ein weiteres wichtiges Element ist eine sogenannte Stillstand-Klausel, die es der EU ermöglicht, die Verordnung ganz oder in Teilen auszusetzen, wenn die amerikanische Seite neue Zölle auf den Tisch bringt oder bereits bestehende ausweitet. „Es kann nicht angehen, dass mit dem Deal in Schottland nicht ein Status Quo festgelegt wurde, an den sich beide Seiten gebunden fühlen. Welche Sicherheit und Stabilität bringt ein Abkommen über dem ständig das Damoklesschwert von neuen oder erweiterten Zöllen schwebt?“
„Bereits die Ausweitung der Stahl- und Aluminiumzölle auf 407 Derivate, die nach dem sogenannten Deal erfolgte, war meiner Meinung nach ein Bruch des Abkommens. Diese Ausweitung hat fatale Folgen für komplette, europäische Industriesektoren, die mit so großen zusätzlichen Kosten, bis hin zum Einstellen des Exportes, in die USA gehen. Diese Vorgehensweise, nur wenige Wochen nach dem Deal, so eine weitreichende unilaterale Maßnahme einzuführen, können wir nicht hinnehmen. Deshalb schlage ich vor, die geplanten US-Zollpräferenzen für Aluminium und Stahl und deren Produkte erst einmal auszusetzen, bis hier eine Lösung gefunden wurde, die sich an dem eigentlich ausgemachten orientiert. Wenn wir jetzt hier keinen Riegel vorschieben, dann wird das zum Standard werden und dann ist das Abkommen das Papier nicht wert, auf dem es steht.“
Zur Stärkung der Handlungsmöglichkeiten der europäischen Seite gegen mögliche neue US-Zölle oder die Ausweitung bereits bestehender Zölle aber auch als Handhabe gegen die kontinuierliche Androhung von Zwangsmaßnahmen, beispielsweise mit dem Ziel EU-Gesetze aufzuweichen, soll außerdem der Aussetzungsmechanismus (Suspension Mechanism) gestärkt werden. „Neben der zusätzlichen Möglichkeit, die Vereinbarung bei neuen oder erweiterten US-Zöllen auszusetzen, schlage ich auch vor, die Kriterien für eine mögliche Aussetzung um den Tatbestand der Zwangsmaßnahme wie er in dem Anti-Coersion-Instrument (ACI) definiert wird, zu erweitern. Damit hätten wir in Zukunft in solchen Situationen mehrstufige Reaktionsmöglichkeiten und setzen auch ein klares Zeichen, dass an unserem Recht zur Regulieren nicht zu rütteln ist und wir es unmissverständlich verteidigen werden.“
Außerdem schlägt der Vorsitzende des EP-Handelsausschusses vor, die parlamentarische Kontrolle zu verstärken, indem eine regelmäßige Berichterstattung, delegierte Rechtsakte anstelle von Durchführungsrechtsakten, und eine stärkere Rolle bei der Überwachung der Umsetzung sichergestellt wird.
Den offiziellen legislativen Vorschlag von Bernd Lange finden Sie hier