Der Abschied von günstigen Energie-Importen aus Russland ist schon eingeläutet, jetzt geraten auch die gewinnträchtigen Exporte nach China in Gefahr.
Wie weit der lange Arm des großen Handelspartners im Fernen Osten reicht, das bekamen deutsche Firmen vor ein paar Monaten zu spüren. Da hatte das kleine Litauen, ein Land mit nicht mal drei Millionen Einwohnern, diplomatische Beziehungen mit Taiwan aufgenommen, einer Republik mit kaum mehr als 25 Millionen Bürgern. Keine große Sache, sollte man denken. Jedenfalls nichts, was große und weltweit aktive deutsche Konzerne ins Schlingern bringen könnte.

So war es aber nicht. Denn die Volksrepublik China, mit ihren 1,4 Milliarden Menschen auf dem Weg, zur größten Volkswirtschaft der Erde aufzusteigen, beansprucht Taiwan, die Insel vor ihrer Küste, für sich – und bestraft jeden, der es wagt, sich über diesen Anspruch formal hinwegzusetzen. Folglich durften deutsche Autozulieferer wie Continental ihre Produkte aus litauischen Werken nach der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Vilnius und Taipeh nicht mehr in die Volksrepublik liefern – mit der Folge, dass den Werken deutscher Autohersteller in China kurzzeitig ein Produktionsstopp drohte.

In diesem Fall währte der Schreck nur kurz, um das Problem ist es schon wieder etwas stiller geworden. Aber der Vorfall zeigte, wie empfindlich das Wirtschaftsmodell ist, das der Bundesrepublik in der jüngeren Vergangenheit verlässliche Wohlstandszuwächse beschert hat – und das nicht zuletzt auf der Kooperation mit zwei autoritären Regimen beruhte, nämlich auf günstigen Energieimporten aus Russland und gewinnträchtigen Exporten nach China, vor allem im Automobil- und Maschinenbau. Als drittes Element kam, wie vor allem Politiker und Experten aus den Vereinigten Staaten gern lästerten, äußerste Sparsamkeit bei den Verteidigungsausgaben hinzu.

Inzwischen hat die Bundesregierung angekündigt, die Rüstungsausgaben für die nächsten Jahre um stolze 100 Milliarden Euro aufzustocken. Und der Abschied vom russischen Gas ist im Grundsatz beschlossene Sache, auch wenn über den Zeitplan noch gestritten wird. Nun schauen Politiker und Experten mit bangem Blick auf die dritte, womöglich ebenfalls bröckelnde Säule des deutschen Wohlstandsmodells: auf die China-Exporte.

Autokratien und Demokratien stehen sich gegenüber

[...] Eine neue bipolare Welt, in der sich Autokratien und Demokratien als zwei unversöhnliche Blöcke gegenüberstehen, fürchtet auch der Chef des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, der Sozialdemokrat Bernd Lange. Zwar sei die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Europa und China für einen harten Bruch viel zu groß. Aber: „Dass Putin einen derart verrückten Krieg gegen die Ukraine anfangen würde, hätte ich auch nicht erwartet.“ Das alte Mantra vom „Wandel durch Handel“ ist mit Putins Krieg endgültig dahin. Da ist zum Beispiel die dringend notwendige Reform der Welthandelsorganisation WTO, die nur im Konsens gelingen kann: Durch die Isolierung Russlands rücke sie in noch weitere Ferne, sagt der EU-Handelspolitiker Lange. Auch das ist eine ziemlich schlechte Nachricht für das exportlastige Geschäftsmodell Deutschland. [...]