Bernd Lange (SPD) ist Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament und Experte für das EU-Lieferkettengesetz.
Herr Lange, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist gerade ein paar Wochen in Kraft. Die Unternehmen versuchen noch, mit den Anforderungen klarzukommen. Sie arbeiten bereits an der europäischen Entsprechung. Wann kommt die?

Ich denke etwa 2028. Es gibt noch mehrere Punkte, die diskutiert werden müssen.

Warum übernehmen Sie nicht einfach das deutsche Gesetz?
Wir wollen stärker einen Risikobasierten Ansatz fahren, das deutsche LkSG vertritt eher das Checklisten-Prinzip. Das ist sehr formal.

Wie muss ich mir den EU-Ansatz vorstellen?
Ein bisschen anders und ein bisschen besser.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ahornsirup aus Kanada hat sicherlich ein anderes Risiko als ein T-Shirt, das in Bangladesch produziert wurde. Da kann man nicht einfach mit dem Rasenmäher drübergehen und an alle die gleichen Anforderungen stellen.

Aber das LkSG differenziert doch auch?
In Teilen schon, aber letztlich müssen die Unternehmen die Risiken einschätzen. Vor allem Mittelständler werden damit sehr allein gelassen.

Wie meinen Sie das?
Bei einem Tisch ist der Zulieferer des Klebstoffs in seinem Impact sicherlich anders zu bewerten als derjenige, der das Holz liefert. Da ist es doch absurd, dass Mittelständler das selbst einschätzen sollen.

Und wie soll das funktionieren?
Im Prinzip soll es eine Art Plattform mit Suchmaske geben. Damit können Unternehmen sehr schnell nach Produktgruppen, aber auch nach Produzenten suchen. Und dann steht da eben, dass Holz aus Vietnam unproblematisch ist, weil wir da kürzlich ein Abkommen geschlossen haben zu Sozial-und Umweltstandards. Und dass das für Holz aus Kambodscha eben nicht gilt, weil dort Wildwest herrscht.

Was ist mit den Zulieferern?
Da würde dann zum Beispiel als Suchergebnis stehen: Zulieferer A ist mehrfach zertifiziert, bei Zulieferer B gab es schon den einen oder anderen Vorfall. Außerdem wollen wir sehr viel stärker mit Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.

Viele Unternehmen fürchten schon jetzt massive Wettbewerbsnachteile durch das deutsche LkSG.
Da ist schon etwas dran. Aber genau deshalb wollen wir das ja europäisch angehen.

Was das Problem letztlich nur auf die internationale Bühne verschiebt, denn andere Staaten, die sich nicht an derlei Vorschriften halten müssen, können natürlich billiger produzieren.
Am Ende des Tages muss man die Regeln natürlich insgesamt globalisieren. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass Europa eine nicht unerhebliche Marktmacht hat. Ein Textilfabrikant aus Bangladesch wird sicherlich eher bereit sein, etwas zu ändern, wenn er insgesamt 80 Prozent seiner Ware nach Europa exportiert und alle Abnehmer dieselben Sozial- und Umweltstandards von ihm verlangen.

Das hilft sicherlich beim Einkauf, aber was ist mit dem Verkauf? Europäische Produkte mit nachhaltiger Lieferkette macht das teurer.
Die zusätzlichen Kosten, bezogen auf den Herstellungsprozess und den Produktpreis an der EU-Grenze, sind marginal. Zudem bringt ein Durchleuchten der eigenen Lieferkette durchaus Erkenntnis- und Effizienzgewinn für das Unternehmen.

Was ist mit Produkten, für die es keine Alternative gibt: Lithium für E-Auto-Batterien, seltene Erden für Handys und Computerchips…
...bei seltenen Erden gibt es mit Australien eine Alternative und es gibt ja durchaus auch bilaterale Abkommen, zum Beispiel bei Konfliktmineralien und Gold oder Tantal aus dem Kongo. Das ist gut umgesetzt worden, um dort Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Bürgerkriegsfinanzierung auszutrocknen.

Welche Knackpunkte sind noch offen?
Das ist vor allem die Frage, ob man Unternehmen Nachhaltigkeitsziele in die Unternehmensverfassung schreibt oder Vorstände persönlich haftbar macht.

Das hört sich doch erstmal konsequent an.
Mag sein. Das Problem ist nur, keine Managerhaftpflicht wird diese Vorstände versichern und im schlimmsten Fall wandern die Unternehmen dann ab.