EU will Handel mit potenziellen Folterinstrumenten besser kontrollieren
Elektroschocker, elektronische Fußfesseln, Pfeffersprays, Reizgase oder Schlagstöcke werden in zahlreichen Ländern als Folterinstrumente genutzt - und nicht selten unter dem Deckmantel der Sicherheitstechnik aus Europa exportiert. Nun soll die Ausfuhr potenzieller Folterinstrumente aus der EU erschwert werden.Ein Ausfuhrverbot soll auch für Pharmazeutika gelten, die etwa in den USA für Hinrichtungen mit einer Giftspitze verwendet werden.Über eine entsprechende Verordnung stimmt das Parlament ab.
Auf die Neuregelung haben sich Unterhändler des Parlaments und der 28 EU-Staaten vorab geeinigt - mit dem Votum am Dienstag ist die Gesetzgebung somit abgeschlossen. Nach der erwarteten Zustimmung des Parlaments sollen die neuen Vorschriften im kommenden Jahr in allen EU-Staaten in Kraft treten.
Die Anti-Folter-Verordnung soll eine Regelung aus dem Jahr 2005 reformieren und aktuellen Entwicklungen anpassen - etwa neuen Techniken und Instrumenten zur Folter und zur Vollstreckung von Todesstrafen. Die derzeit geltende Verordnung verbietet den Handel mit Gütern, die ausschließlich zu Folterzwecken oder zur Vollstreckung von Todesurteilen eingesetzt werden - etwa Daumenschrauben oder tödliche Substanzen für Giftspritzen. Für bestimmte Güter wie Elektroschocker, Schlagstöcke oder Pfeffersprays, die unter anderem bei regulären Polizeieinsätzen verwendet werden, müssen Händler eine Ausfuhrgenehmigung beantragen - in Deutschland beim Bundeswirtschaftsministerium.
Die Behörden können eine Exportlizenz erteilen, wenn sie zu dem Schluss gelangen, dass die fraglichen Instrumente nicht für Folter oder Hinrichtungen verwendet werden. Menschenrechtsorganisationen machen geltend, dass es für nationale Behörden in der EU schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, einen Missbrauch etwa von Schlagstöcken oder Pfeffersprays im Ausland zu verhindern.
Die Neuregelung zielt zum einen auf eine bessere Kontrolle ab - auch beim Online Verkauf. Die EU-Staaten werden zudem verpflichtet, genehmigte Ausfuhren einschlägiger Produkte den nationalen Kontrollstellen zu melden, welche die Unterzeichnerstaaten des UN-Übereinkommens gegen Folter eingerichtet haben. In Deutschland ist dies die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in Wiesbaden.
Vorgesehen ist ferner ein Informationsaustausch unter den EU-Staaten über Ausfuhren sensibler Güter. Dadurch sollen Versuche erschwert werden, Foltergüter aus EU-Staaten zu exportieren oder durch die EU zu schleusen.
Die Liste der Güter, für die Händler eine Exportgenehmigung beantragen müssen, wird zudem erweitert. Sie umfasst künftig erstmals auch Pharmaprodukte, die sowohl für medizinische Zwecke als auch für Hinrichtungen verwendet werden können - etwa Narkosemittel. Die Ausfuhr solcher Substanzen in Länder, in denen die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, soll unterbunden werden.
Vorgesehen ist zudem eine "Auffangklausel": Sie ermöglicht es der EU-Kommission, kurzfristig ein Produkt auf die Liste genehmigungsbedürftiger Ausfuhren zu setzen - wenn der Verdacht besteht, dass es zu Folterzwecken oder für Hinrichtungen missbraucht werden könnte. Außerdem soll die Werbung für potenzielle Folterinstrumente verboten werden - in den Medien, im Internet und auf Messen. Angeboten werden einschlägige Artikel beispielsweise auf der "Enforce tac" in Nürnberg - einer "Fachmesse für Behörden mit Sicherheitsaufgaben", die auch von vielen Interessenten aus nicht-europäischen Ländern besucht wird. Nach Recherchen von Amnesty International haben 2014 mehr als 82 Prozent aller Staaten weltweit Folter eingesetzt.
"Die aktualisierten Regeln werden EU-Behörden helfen, schneller auf neue - auch technische - Entwicklungen bei Folter oder anderen unmenschlichen Behandlungen zu reagieren", betont der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD). Die Verordnung leiste somit einen Beitrag zur Ausrottung von Folter und Todesstrafe. Zufrieden äußert sich auch die deutsche Grüne Barbara Lochbihler: Die nach langen Verhandlungen mit dem EU-Staaten vereinbarten neuen Vorschriften seien "aus menschenrechtlicher Perspektive ein großer Erfolg".