„Jetzt wird genau geprüft - Zustimmung durch EP wird kein Selbstläufer“

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen mit Vorschlag für Zusammensetzung und Zuschnitt der neuen Kommission
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat heute die Nominierungen für die KommissarInnen und den Zuschnitt der Ressorts präsentiert. Das Europäische Parlament wird die KandidatInnen jetzt in den Fachausschüssen befragen und muss dem neuen Kollegium im Ganzen zustimmen. Dazu der niedersächsische SPD-Europapolitiker Bernd Lange, Vorsitzender des EP-Handelsausschusses und Vorsitzender der Konferenz der Ausschussvorsitzenden:
„Die unsägliche Hängepartie der letzten Wochen und Tage hat jetzt zumindest mal vorläufig ein Ende. Die Art und Weise der heutigen Präsentation war jedoch nicht sehr respektvoll. Anstatt wie ursprünglich geplant ihr potentielles Team in der Konferenz der Präsidenten erstmals dem Europäischen Parlament vorzustellen, hat sie uns nur allgemeines präsentiert und stattdessen dafür direkt im Anschluss eine Pressekonferenz gewählt. Das ist kein guter Stil.
Jetzt haben wir endlich eine Liste potenzieller Kandidaten und die entsprechenden Ressorts. Um aber wirklich weitere Schritte unternehmen zu können, müssen die so genannten Zuweisungsschreiben (Mission Letters) für die einzelnen potenziellen Kommissare, in denen ihre Aufgabenbereiche und Anforderungen genau beschrieben sind, rechtzeitig vorliegen. Erst dann können wir die Anhörungen wirklich gründlich vorbereiten. Es ist sehr wichtig, dass diese bald kommen.
Wer denkt, dass die Zustimmung durch das Europäische Parlament ein Selbstläufer wird, der hat sich getäuscht. Niemand bekommt einen Blankocheck. Wir werden die Kandidaten in den Anhörungen fachlich auf Herz und Nieren prüfen. Dieses „Grillen“ hat schon in der Vergangenheit zum Austausch von Kandidierenden geführt.
Zumal wir im Zuge der Reform der Geschäftsordnung auch die Regeln für die Anhörungen überarbeitet haben. Die Anhörungen sind jetzt ein noch schärferes Schwert. Beispielsweise dauern sie jetzt länger, die Fragerunden sind effizienter und bei Bedarf kann es auch Zusatzanhörungen geben. Als Vorsitzender der Ausschussvorsitzenden werde ich bei der Organisation der Anhörungen natürlich ein besonderes Auge darauf haben.
Auch wenn es gut wäre, wenn die neue Kommission sobald wie möglich ihre Arbeit aufnähme, lassen wir uns zeitlich nicht unter Druck setzen. Das Europäische Parlament war nicht für die Verzögerungen beim Nominierungsprozess verantwortlich und wird sich die notwendige Zeit für die parlamentarische Prüfung nehmen. Dabei wird es keine Abstriche oder Abkürzungen geben.
Sehr positiv finde ich, dass unter den sechs geschäftsführenden-Vizepräsidenten gleich vier Frauen sind. Zudem überzeugt mich die regionale Ausgeglichenheit. Allerdings finde ich es schade, dass es auch diesmal nicht gelingen wird, die Kommission paritätisch zu besetzen.
Bezüglich der neuen Ressortaufteilung ist mir noch nicht klar, wie man mit den Überschneidungen umgehen will. Das muss man sich genauer anschauen. Wie würde sich beispielsweise die Arbeit des Kommissars für Handel mit der Arbeit des Exekutiv-Vizepräsidenten für Wohlstand und Industriestrategie überschneiden?
Was das Handelsressort betrifft, so freue ich mich, dass Handel und wirtschaftliche Sicherheit in den Händen eines einzigen Kommissars liegen werden. Dies sollte sicherstellen, dass unsere Handelspolitik weiterhin nuanciert gestaltet wird und wir unseren Markt nur in äußerst begrenzten Fällen schützen werden. Die Standardposition sollte sein, dass wir eine offene strategische Autonomie verfolgen. Natürlich freue ich mich auch, dass Maroš Šefčovič für dieses besondere Ressort nominiert wurde. Er ist aufgrund seiner Rolle bei den Brexit-Verhandlungen kein Unbekannter im Handel und verfügt über viel Erfahrung, auch im Umgang mit dem Europäischen Parlament. Ich freue mich auch über die Nominierung von Jozef Síkela für internationale Partnerschaften. Wir können nur dann eine wirksame Handelspolitik betreiben, wenn wir auch die Bedürfnisse unserer Partner, einschließlich der Entwicklungsländer, berücksichtigen. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit zwischen unserer Handelspolitik und Global Gateway, zum Beispiel."