Die Europäische Kommission hat heute das sogenannte "Fit for 55-Paket" mit Maßnahmen zur Umsetzung des Green Deals vorgestellt - mit dem Zwischenziel für 2030 eine Treibhausgasreduktion um 55% im Vergleich zu 1990 zu erreichen. Dazu der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses, Bernd Lange:

"Unsere Devise muss ganz klar lauten: Kein Green Deal ohne einen gleichzeitigen sozialen Deal.“ Wenn der Green Deal und die neue Klimagesetzgebung allerseits als Revolution eingeordnet wird, dann müssen wir auch sicherstellen, dass sie nicht ihre eigenen Kinder frisst. Will heißen: Wir müssen zeitgleich zu den Maßnahmen auch die Menschen, die von diesem einzigartigen Umbruch betroffen sind, nicht nur mitnehmen sondern auch aktiv einbinden. Das hätte eigentlich schon längst viel stärker stattfinden müssen. Mit ein paar zusätzlichen Fonds ist es da nicht getan. Diese Menschen brauchen eine klare Perspektive und den Weg dahin und nicht nur Aussicht, dass die Transformation schon irgendwie finanziell abgefedert wird. Nur zu postulieren "Wir lassen keinen zurück." ist zu wenig, die Betroffenen wollen konkret wissen, wie das gelingen soll und in welchem zeitlichen und strukturellen Rahmen. Das bedeutet beispielsweise eine Ermittlung des konkreten Bedarfs an zukünftigen Arbeitsplätzen und deren Qualifikationen. In regionalen Agenturen müssen dann Bedarfe und Potentiale zusammengebracht und durch spezifische Strategien für die Um- und Höherqualifizierung passgenau entwickelt und aufgesetzt werden. Zudem müssen wir die verbindlichen Beteiligungsmöglichkeiten auf EU-Ebene ausweiten. Schon 2013 hat das Europäische Parlament einen entsprechenden Rechtsakt zur Anhörung und Unterrichtung von Arbeitnehmern, Antizipation und Management von Umstrukturierungen gefordert. Der muss jetzt kommen. Die Transformation kann nur mit den Beschäftigten und einer starken Mitbestimmung, unter Einbindung der Sozialpartner, gelingen. Das sind alles Antworten, die wir parallel zu den ganzen Gesetzesvorhaben liefern müssen, sonst landen wir ganz schnell in einer Sackgasse mit nicht absehbaren Folgen"

"Jetzt ist die Katze endlich aus dem Sack. Nun müssen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament nicht nur umgehend beginnen sondern auch zeitnah abgeschlossen werden. Die Industrie aber auch die Menschen brauchen Planungssicherheit. Und wir dürfen dann auch nicht bei nächster Gelegenheit wieder neue Grenzwerte durchs Dorf treiben. Es braucht einen verbindlichen, zielgerichteten und ganzheitlichen Rahmen sowohl was die notwendigen Investitionen betrifft, als auch die Beihilferegelungen, die dementsprechend angepasst werden müssen. Innovationszyklen und Investitionsentscheidungen müssen in Einklang gebracht werden. Investitionen zur Stärkung der Wertschöpfung in neuen Bereichen zur Begleitung der Transformation und vor allem gerade dort, wo Arbeitsplätze wegfallen. Es geht z.B. um Batteriezellenproduktion und um Batterierecycling, verbindliche Vorgaben für die Mitgliedstaaten und massive Investitionen in Infrastruktur für Elektromobilität. Der gleiche umfassende Ansatz gilt auch für die Maßnahmen zur konkreten Ausgestaltung der Transformation. Dafür sollte ein passgenauer Fonds geschaffen werden, der diesen Namen auch verdient und explizit zur Förderung und Umsetzung des Transformationsprozesses genutzt wird."

"Der europäische Green Deal kann nicht unter Ausschuss der restlichen Welt stattfinden, geschweige denn in diesem Fall erfolgreich sein. So naiv dürfen wir nicht sein. Vorreiterrolle der EU hin oder her, wenn die anderen nicht auch mitziehen, lösen wir erstens das Problem nicht und riskieren zweitens unsere Wettbewerbsfähigkeit, da schlichtweg kein Level-Playing Field mehr vorhanden ist. Deshalb sind Maßnahmen wie der CO² Grenzausgleichsmechanismus auch von zentraler Bedeutung. Allerdings kommt es auf die Ausgestaltung an. Entwicklungsländer haben im Pariser Klimaschutzabkommen einen besonderen Status, diesen vermisse ich im CO² Grenzausgleichsmechanismus. Das Instrument muss eine Balance finden zwischen legitimen Entwicklungsinteressen und der Vermeidung von Umgehungstatbeständen, diese finden sich im Vorschlag noch nicht wieder. Zudem muss es eine Art Äquivalenzprinzip geben, dass auch die Anstrengungen und Maßnahmen anderer Länder klar berücksichtigt. Der Grenzausgleichsmechanismus muss nicht nur klar WTO-kompatibel sein, wir sollten die anderen Nationen nicht vor vollendete Tatsachen stellen, sondern versuchen aktiv einzubinden. Beispielsweise in Form eines Klimaclubs. Offene Konfrontation oder Handelskriege wären das falsche Mittel. Das solch eine globale Lösung klappen kann, sehen wir derzeit bei der Mindestbesteuerung von Unternehmen. Die Welt ist ein globales Dorf. Die Zeiten der nationalen Lösungen sind vorbei. Einzelne können Impulse setzen und Vorreiter sein, aber wenn die anderen nicht mitziehen, dann lösen wir letztendlich das Problem nicht."