Deutsche Lobbyisten wollen die geplante Lieferketten-Regulierung der EU aushöhlen. Das zeigen interne EU-Dokumente, die CORRECTIV und SWR vorliegen. Auch Teile der CDU laufen gegen die Pläne der EU Sturm. Am Mittwoch will die Kommission ihre Pläne vorstellen.

Die „Erwartungen der deutschen Wirtschaft“ kommen im Anhang einer E-Mail, die am 30. April 2021 im Justiz-Ressort der Europäischen Kommission eingeht: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) teilt darin detailliert mit, was das geplante EU-Lieferkettengesetz leisten soll, oder besser: was nicht.

In einem sogenannten Non-Paper, einem informellen Papier, das nicht zur Veröffentlichung gedacht ist, stellt die BDA deutliche Forderungen. Die „deutsche Wirtschaft“ habe „praktische Erwartungen“ an eine europaweite Regulierung: Die Umsetzung müsse „machbar“ und „angemessen“ sein, aber auch klar begrenzt: „Die Pflicht, für Menschenrechte zu sorgen, fällt in die Zuständigkeit von staatlichen Autoritäten und kann nicht einfach an Unternehmen outgesourced werden.“

Das Papier der BDA ist ein Beispiel dafür, wie Wirtschaftsverbände und Lobbyorganisationen seit Monaten gegen ein weit reichendes Lieferkettengesetz auf EU-Ebene Sturm laufen. CORRECTIV und SWR liegen mehr als 100 Positionspapiere, Briefe, E-Mails und Protokolle vor, die aufzeigen, wie Unternehmens- und Lobbyverbände gezielt versuchen, geplante Regulierungen zu schwächen oder auszuhöhlen. [...]

Kommission streitet bis zum letzten Moment über Details

Am Mittwoch dieser Woche will die EU-Kommission nach langen Verzögerungen ihren Entwurf für die Richtlinie vorstellen. CORRECTIV und SWR liegt eine geleakte aktuelle Fassung vor, der zwar vergleichsweise strenge Regelungen enthält. Allerdings fallen einige kritische Punkte, insbesondere hinsichtlich der Haftung und der Sorgfaltspflichten, eher weich und unkonkret aus. In diesen Aspekten bleibt der Text hinter einem Vorschlag des EU-Parlaments aus dem März vergangenen Jahres zurück.

Ob der Entwurf morgen genau so vorgestellt wird, ist noch nicht klar. Aus der Kommission hieß es am Dienstag, es werde aktuell noch über einzelne Details gestritten.

Einige Parlamentarier gehen jedoch davon aus, dass sich die Lobbyisten mit einigen Forderungen durchgesetzt haben, was die Schärfe der Kontrollpflichten angeht: „Die Idee, Leitplanken für die Geschäftsinteressen aufzustellen, ist wohl ziemlich eingedampft worden“, sagt der EU-Abgeordnete Bernd Lange (SPD). Zwar plädieren sogar einige Unternehmen inzwischen sogar für klare und verbindliche Regelungen.

In Deutschland setzten sich die Lobbyisten mit ihren Forderungen durch

Im Februar dieses Jahres forderten mehr als 100 Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einschließlich Haftungsregelungen. „Aber die Verbände schießen absolut dagegen”, sagt Bernd Lange. „Die sehen eine Regulierung als Angriff auf das freie Unternehmertum, und das hat zu erheblichen Diskussionen geführt.“ [...]