Bernd Lange, Vorsitzender des Internationalen Handelsausschuss (INTA) und Vorsitzender der Konferenz der Ausschussvorsitzenden (CCC) im Europäischen Parlament:

"Dass wir heute endlich einen Vorschlag eines europäischen Lieferkettengesetzes vorliegen haben, ist nicht zuletzt auf den Druck der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament zurückzuführen. Wir haben das Instrument an allen entscheidenden Stellen als Berichterstatter:innen geformt und nach vorne getrieben.

Jetzt haben wir einen guten Aufschlag auf dem Tisch – dieser setzt innerhalb der EU aber auch über deren Grenzen hinweg ein starkes Zeichen: Nachhaltigkeit wird zu einem elementaren Bestandteil der globalen Handelspolitik. Die EU geht voran, das Interesse von unseren internationalen Partnern ist groß. Mit dem Gesetz können wir einen Standard setzen, der global ausstrahlen wird. Auch die USA schauen z. B, im Bereich der Handelspolitik zunehmend auf die konkrete Unternehmensverantwortung.

Der heutige Vorschlag geht in vielen Punkten über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus, das von der CDU/CSU ausgebremst wurde.

Unumstritten und richtig ist der risikobasierte Ansatz für die Wahrnehmung von Sorgfaltspflichten. Unternehmen müssen entsprechend des möglichen Risikos der Verletzung von Arbeitnehmerrechten und Umweltstandards handeln und Gegenmaßnahmen entwickeln. Die alleinige Größe eines Unternehmens ist zweitrangig. Der Import von Ahornsirup aus Kanada hat ein anderes Risiko als das Hemd aus Bangladesch. Ein kleines Bergbauunternehmen hat vielleicht größere Risiken zu bewältigen als eine große Firma. Ein risikobasierter Ansatz ist deswegen der einzig richtige Weg, genauso wie die besondere Rolle von KMUs zu berücksichtigen.

Es ist richtig, demnach auch den Anwendungsbereich zu definieren. So sollen zunächst alle Unternehmen im EU-Binnenmarkt mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und einem jährlichen Umsatz von 150 Mio. EUR unter die Gesetzgebung fallen. In ausgewählten Risikosektoren, wie beispielsweise Textil, Landwirtschaft oder Bergbau, sollen die Pflichten bereits für Unternehmen ab 250 Mitarbeiter:innen und einem jährlichen Nettoumsatz von 40 Mio. EUR gelten – sofern die Hälfte ihres Umsatzes in den Risikobranchen erwirtschaftet ist. Auf diesen Aspekt wird das Europäische Parlament sicherlich besonderen Wert legen und gegebenenfalls nachschärfen.

Begrüßenswert ist die klare und umfassende Anforderung an die Sorgfaltspflicht. Beispielsweise gehören das Streikrecht und das Mindesteinkommen dazu, genauso wie Umweltschutzverstöße. Auch ist die Reichweite der Sorgfaltspflicht für die gesamte Lieferkette angelegt - Tochterunternehmen und Zulieferer werden mit in den Blick genommen.

Besonders zu erwähnen ist die Einführung der persönlichen Verantwortlichkeit von Managern. Damit wird die Verantwortung derjenigen, die in Unternehmen Entscheidungen treffen, besonders hervorgehoben.

Das Thema Zwangsarbeit wird gesondert behandelt werden – für uns der richtige Weg. Natürlich wird das Lieferkettengesetz hier mittelfristig einen Unterschied machen, aber Sorgfaltspflichten sind ein Prozess der nicht über Nacht abgeschlossen wird. Deswegen brauchen wir einen Vorschlag, wie wir diese Güter kurzfristig vom EU-Binnenmarkt bannen."