MdEP Bernd Lange zu Vorstellung des EU-Deals für eine saubere Industrie:

Die EU-Kommission wird heute mit dem sogenannten Clean Industrial Deal einen Fahrplan mit Maßnahmen vorstellen, um Europas Industrie klimafreundlicher und zugleich wettbewerbsfähiger für die Zukunft zu machen. Der Plan setzt auf sechs zentrale Bausteine: Bezahlbare Energie, Leitmärkte, Öffentliche und private Investitionen, Kreislaufwirtschaft und Rohstoffe, Internationale Partnerschaften und sozialer Ausgleich. Dazu der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange:

„Die Botschaft ist klar: Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit müssen Hand in Hand gehen. Deshalb ist es auch richtig mit dem Clean Industrial Deal einen Fahrplan für eine aktive Industriepolitik vorzulegen, der mit konkreten Maßnahmen genau diese Richtung vorgibt, um Europa als Standort für klimafreundliche Industrien zu etablieren. Die Schwachstellen unserer Wirtschaft hatte der Draghi-Bericht ja schonungslos offengelegt und deshalb wäre es fahrlässig gewesen, daraus keine schnellen Konsequenzen zu ziehen.

Gut, dass die Europäische Kommission zahlreiche unserer Forderungen, wie beispielsweise die Schaffung von grünen Leitmärkten, z.B. für grünen Stahl, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, die Stärkung der Kreislaufwirtschaft für mehr Rohstoffrecycling oder auch das Leasing von Elektroautos, aufgreift. Alles sinnvolle Maßnahmen, allerdings wird man diese erst dann wirklich beurteilen können, wenn sie auf dem Tisch liegen. Wichtig ist was drin steckt und nicht was draufsteht. Zudem muss die Umsetzung sofort beginnen. Es ist bereits fünf nach Zwölf der Handlungsbedarf dementsprechend groß.

Das gilt auch für die Beihilfenpolitik. Da bin ich sehr gespannt, ob der neue Beihilferahmen der neuen Ausrichtung unserer Industriepolitik auch gerecht wird. Energieintensiven Industrien, die sich zudem noch mitten in der Transformation befinden, brauchen einen speziellen und passgenauen Rahmen. Der muss vor allem auch langfristige Planungssicherheit bieten. Die angedachten 5 Jahre greifen meiner Meinung nach, gerade bei der Transformation von energieintensiven Industrien, aufgrund der enormen Investitionsvolumina zu kurz. 

Die Aktionspläne für Schlüsselindustrien, wie beispielsweise für die Auto- und die Stahlindustrie, sind richtig und überlebenswichtig, da dies ein klares Bekenntnis zu diesen Industrien und den damit verbundenen guten Arbeitsplätzen bedeutet. Zudem können diese klar sektorspezifischen Ansätze passgenauere Lösungen mit sich bringen. Aus den Plänen müssen dann aber auch umgehend konkrete Maßnahmen resultieren, damit diese Branchen zukunftsfähig bleiben. Der Fokus muss also klar auf der „Aktion“ und weniger auf dem „Plan“ liegen. Daran werden wir die Arbeit der EU-Kommission in diesem Bereich messen. 

Der Teufel wird aber, wie immer, vor allem in der finanziellen Ausstattung stecken. Die besten Maßnahmen nützen nichts, wenn dafür nicht auch ein entsprechender finanzieller Rahmen geschaffen wird. Die übliche Umschichtung oder Bündelung von bereits vorhandenen Mitteln reicht nicht aus. Der neu zu schaffende Fonds für Wettbewerbsfähigkeit wird deshalb nur seinem Namen gerecht werden, wenn er auch finanzielle Schlagkraft erhält. Hier müssen wir uns ehrlich machen: Eine aktive, gemeinsame Industriepolitik muss auch mit Extramitteln flankiert werden. Sonst bleiben das alles nur Trockenübungen. Es wird also alles mit der konkreten Ausgestaltung des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) stehen und fallen. 

Die mögliche weitere Schärfung unseres Werkzeugkastens, mit defensiven Handelsschutzinstrumenten, ist vor dem Hintergrund der aktuellen, geopolitischen Lage zu begrüßen. Wir müssen in der Lage sein umgehend und regelkonform zu reagieren. 

Die angekündigten Partnerschaften für sauberen Handel und saubere Investitionen sind bisher noch eine reine Black Box. Was genau bedeutet dieser flexiblere und passgenauere Ansatz dieser neuen Art von rechtsverbindlichen Partnerschaften denn? Wie werden sie demokratisch legitimiert? Deshalb wird das Europäische Parlament genau darauf achten, ob diese Partnerschaften auch auf Augenhöhe und damit wirklich partnerschaftlich sind. Zudem wollen wir bei der Ausgestaltung dieser Partnerschaften eng eingebunden sein. 

Zu kurz kommt auf jeden Fall, leider mal wieder, die soziale Komponente. Die ist eher Beiwerk, da muss noch einiges mehr kommen. Auch da braucht es einen rechtsverbindlichen Rahmen, dass wirklich niemand zurückgelassen wird, mit klaren Rechtsansprüchen und der Einbindung von Gewerkschaften. Die ganze strategische Neuausrichtung und der Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit ist nur gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu realisieren. Deshalb müssen sie viel stärker mitgenommen und eingebunden werden. Schließlich stehen ihre guten Jobs im Zentrum der gesamten, aktiven Industriepolitik.“