Die Lage in Moria ist unerträglich. Dieser Satz galt schon vor dem Brand. Spätestens jetzt sollte allen Akteur*innen klar geworden sein, dass die EU ihre Asylpolitik verändern muss.

Die Zustände an der EU-Außengrenze sind längst unhaltbar. Das bezieht sich sowohl auf die Lebensbedingungen der Schutzsuchenden, die sich zweifelsohne als menschenunwürdig beschreiben lassen, als auch auf die Tatsache, dass das Recht auf Asyl de facto ausgesetzt wurde. Dieses humanitäre Minimum, zu der sich die Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet haben, wird einer Politik der Abschottung geopfert. Für die griechischen Behörden hat es höhere Priorität die Außengrenze zu schützen als die Geflüchteten – und dabei werden sie von ihren europäischen Partnern unterstützt. Schon im Frühjahr hat die Kampagne #LeaveNoOneBehind die Evakuierung des Lagers Moria gefordert. Das muss endlich umgesetzt werden. Dass der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius bereits in den vergangenen Monaten Geflüchtete aus Moria nach Niedersachsen evakuiert hat und diese Forderung auch jetzt mit Nachdruck unterstützt, ist sehr zu begrüßen. Aber natürlich reicht das noch nicht: Die Bundesregierung und insbesondere Bundesinnenminister Horst Seehofer müssen die zügige Aufnahme von Geflüchteten aus Moria ermöglichen. Zahlreiche Kommunen haben sich bereits zu sicheren Häfen erklärt und wollen ausdrücklich Geflüchtete aufnehmen. Bisher erfahren diese Kommunen von der Seite des Bundes nicht nur keine Unterstützung, sondern unmittelbaren Widerstand. Diese Blockadehaltung muss enden. In dieser zugespitzten Situation muss eine schnelle Reaktion erfolgen.

Doch die europäische Asylpolitik muss über die kurzfristige Evakuierung eines einzelnen Lagers hinausgehen. Das Ziel muss sein, dass es keine Lager wie Moria mehr gibt. Schutzsuchende müssen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicher und menschenwürdig untergebracht werden und sie müssen Zugang zu fairen Asylverfahren sowie zu rechtlicher Beratung haben. Ein faktischer Bruch des Völkerrechts, wie er aktuell zu beobachten ist, darf nicht Teil unserer Asylpolitik sein. Wenn allein die Positionen, die das Europäische Parlament bereits beschlossen hat, umgesetzt würden, wäre die Lage der Asylpolitik schon deutlich verbessert. Bereits die Entschließung vom 12. April 2016 fordert ein einheitliches europäisches Asylsystem sowie faire und zuverlässige Verfahren, die auf dem Grundsatz der Nichtzurückweisung beruhen. Außerdem hat das Europäische Parlament deutlich gemacht, dass Ingewahrsamnahmen nur in eindeutig definierten Ausnahmefällen und bei zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln erfolgen dürfen. In der vergangenen Legislaturperiode hat das Europäische Parlament eine Verhandlungsposition zur Reform der europäischen Asylpolitik festgelegt. Der Rat jedoch hat immer noch keine Position für die Verhandlungen mit dem Parlament. Deshalb die klare Forderung: Die Mitgliedstaaten, d.h. konkret die EU-Innenminister, müssen sich endlich auf eine Position einigen, damit die Gesetzgebung vorankommen und vor allem das gescheiterte Dublin-Abkommen reformiert werden kann.

Schon im März habe ich gesagt, dass sich das letzte Maß an Menschlichkeit nicht davonstehlen darf. Die Feuer in Moria machen ein Wegsehen endgültig unmöglich. Die Staaten der EU müssen jetzt handeln.