„Starkes Signal an Milliarden von Menschen“
Einigung zu Zollerleichterungen für Länder des Globalen Südens
Vertreter:innen von EU-Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten haben sich in der Nacht zu Dienstag nach neun Verhandlungsrunden auf Verbesserungen des sogenannten Allgemeinen Präferenzsystems geeinigt. Das Handelsinstrument der EU bietet Entwicklungsländern durch niedrigere oder ganz abgeschaffte Zölle einen erleichterten Zugang zum EU-Binnenmarkt, um ihre wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Dies soll helfen, Armut zu bekämpfen sowie Teilhabe an der Weltwirtschaft zu fördern.
Dazu der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange:
„Gestern Nacht konnte ich die dänische Ratspräsidentschaft davon überzeugen, endlich einen Kompromiss für die neue Periode des zollfreien Zugangs zum europäischen Markt für die Länder des Globalen Südens zu vereinbaren. Hinter diesem Kompromiss liegen vier Jahre von anstrengenden und zum Teil quälenden Verhandlungen.
Das sind jetzt sehr gute Nachrichten für über zwei Milliarden Menschen in mehr als 60 Ländern, die von der Senkung und der Abschaffung von Zöllen profitieren. Die EU sendet mit der Einigung ein starkes Signal: In Zeiten von Nationalismus und Protektionismus bleiben wir ein verlässlicher Partner. Die neue Verordnung gilt zehn Jahre und schafft berechenbare, fairere und nachhaltigere Handelsbeziehungen. Sie richtet sich gezielt an Länder, die die Vorteile am dringendsten benötigen, und fördert deren nachhaltige Entwicklung.
Für mich standen die Verhandlungen natürlich im geopolitischen und handelspolitischen Zusammenhang. Einerseits scheint die Trump-Regierung unter dem Motto „America First“ wenig Rücksicht auf die Schäden zu nehmen, die ihre Handelspolitik den Ländern des Globalen Südens zufügen kann. Die USA haben am „Befreiungstag” am 2. April 2025 zusätzlich zu den Meistbegünstigungszöllen „reziproke” Zölle für die am wenigsten entwickelten Länder u.a. in Höhe von 32 Prozent für Angola, 50 Prozent für Lesotho, 49 Prozent für Kambodscha und 44 Prozent für Myanmar eingeführt. Auch wenn die USA diese Zölle inzwischen etwas zurückgenommen haben, ist der Schaden für ihre Glaubwürdigkeit als vertrauenswürdiger Partner der Länder des Globalen Südens bereits angerichtet. Hinzu kam die katastrophale Zerschlagung der USAID, die weltweit zu spüren war.
Auf der anderen Seite hat China vor genau einem Jahr, am 1. Dezember 2024, offiziell alle Zölle auf Exporte aus 53 afrikanischen Ländern abgeschafft. Dabei handelt es sich nicht nur um Entwicklungsländer, sondern auch um Länder mit mittlerem Einkommen wie Südafrika, Ägypten, Nigeria, Kenia und Marokko. China versucht, seine Rolle als bevorzugter Partner und Wachstumsmotor für die Länder des Globalen Südens zu festigen.
Die Verabschiedung dieser neuen Verordnung bietet eine Chance zu zeigen, dass die EU der Welt nicht den Rücken kehrt. Die EU wird den Ländern des Globalen Südens auf ihrem Weg zu wirtschaftlichem Fortschritt und guter Regierungsführung weiterhin als verlässlicher Partner zur Seite stehen. Wir unterstützen die Länder des Globalen Südens dabei, ihre Exportmärkte weiter zu diversifizieren, damit sie so mehr Freiheit bei der Gestaltung ihres Entwicklungsweges haben.
Die Einigung ist auch ein Bekenntnis zum Multilateralismus. Das Parlament hat durchgesetzt, dass fundamentale Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards – etwa das Pariser Klimaabkommen – Voraussetzung für bestimmte Handelspräferenzen sind. Das ist ein wichtiger Schritt, um internationale Regeln wirksam zu stärken. Auch die Transparenz wurde durch die Verhandlungen des Parlaments gestärkt. Wir haben durchgesetzt, dass die Aktionspläne zur Sicherstellung der wirksamen Umsetzung internationaler Übereinkommen durch die begünstigten Länder öffentlich zugänglich sind.
Beim umstrittenen Vorschlag, Handelspräferenzen bei anhaltender Nichtkooperation bei der Rückübernahme irregulärer Migranten wieder entziehen zu können, hatte das Europäische Parlament immer argumentiert, dass Handel und Migration getrennt bleiben sollten. Der Rat ist dem teilweise entgegen gekommen indem er ein ausgeglichenes System mit klaren Leitplanken für die am wenigsten entwickelten Länder geschaffen hat, das eine solche Maßnahme nur als letztes Mittel der Wahl erlaubt.“
Hintergrund: Die derzeitige Verordnung lief Ende 2023 aus und wurde nach dem vorläufigen Scheitern der Verhandlungen bis Ende 2027 verlängert. Die neue Verordnung wird dann an ihre Stelle treten. Der heutige Abschluss muss noch das finale grüne Licht von Europäischem Parlament und Europäischem Rat bekommen.