Bernd Lange: „Jetzt Zeit für konstruktiven Dialog nutzen“

Die EU-Kommission hat die vorläufigen Ausgleichszölle, die sie auf in China hergestellte chinesische Elektroautos zu erheben gedenkt, bekannt gegeben. Vorausgegangen waren eine Antisubventionsuntersuchung sowie eine Vorabunterrichtung am 12. Juni. 

Die vorgeschlagenen zusätzlichen Zölle unterscheiden sich nur geringfügig von der vorherigen Bekanntmachung. Die angekündigten vorläufigen Zölle betragen 17,4 Prozent für den Hersteller BYD, 19,9 Prozent für Geely und 37,6 Prozent für SAIC.

Bernd Lange, niedersächsischer SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament:

"Jetzt haben wir Klarheit. Die Fakten liegen auf dem Tisch und können von allen bewertet werden. Ich bin zuversichtlich, dass die Untersuchung der EU-Kommission auf Fakten beruht, im Einklang mit den WTO-Regeln steht und somit kein protektionistisches Instrument darstellt. Was aber speziell den Hersteller SAIC betrifft, so müssen wir genau analysieren, ob die jetzt gesetzten hohen Ausgleichszölle wirklich den unlauteren Wettbewerbsvorteilen entsprechen. Für Niedersachsen müssen wir die möglichen Auswirkungen auf Volkswagen abschätzen, da das Unternehmen ein Joint Venture mit SAIC hat. Im Moment sieht es so aus, dass die dort gemeinsam mit Volkswagen produzierten Autos noch nicht in die EU exportiert werden.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Die Ankündigung der vorläufigen Zölle ist nur der erste formale Schritt. Wir haben bis November diesen Jahres Zeit, eine Entscheidung über die endgültigen Zölle zu treffen. In der Zwischenzeit sollten wir eine faktenbasierte Diskussion mit der chinesischen Seite führen. Die Gespräche sind bereits im Gange und sollten in den kommenden Monaten fortgesetzt werden. Wir sollten eine Lösung finden, die mit den WTO-Regeln vereinbar ist und Fairness im Wettbewerb schafft, und zwar noch vor November. Ideal wäre eine Lösung, bei der wir das Problem an der Wurzel packen, also unlautere Subventionen abzubauen, Preisvorteile aufzuheben, anstatt den Schaden zu beheben durch Ausgleichszölle. Die jetzt vorgeschlagen Ausgleichszollsätze sind nicht in Stein gemeißelt. Sollte dies nicht gelingen, würden beide Seiten verlieren. Bei solchen Handelsstreitigkeiten gibt es nie Gewinner. Deshalb sollte der Fokus auf dem konstruktiven Dialog liegen.

Ich fordere die EU-Kommission auf, auch mit anderen Handelspartnern zusammenzuarbeiten, die über die chinesischen unlauteren Subventionen besorgt sind und eine Lösung im Einklang mit den multilateralen Handelsregeln finden wollen. Gemeinsam können wir viel mehr Druck ausüben, damit China seinen Kurs ändert. Letztendlich geht es uns darum, gleiche Wettbewerbsbedingungen für einen sehr wichtigen Industriesektor in der EU zu schaffen und nicht darum unseren Markt abzuschotten.

Längerfristig sollte die EU über ihre eigene Industriestruktur nachdenken. Abgesehen von den Subventionen, die die chinesischen Behörden gewähren, gibt es noch viele andere Faktoren, die den Autoherstellern in China Wettbewerbsvorteile bringen. In Anbetracht dessen ist die Erhebung von Ausgleichszöllen als Gegenmaßnahme zu den chinesischen Subventionen nur ein Teil einer umfassenderen Antwort, die von Seiten der EU erforderlich ist. Wir müssen selbst die Kurve kriegen und unsere industrielle Entwicklung stärken. Auch Investitionen von chinesischen Herstellern mit einer Produktion hier in der EU, auch als Joint Venture, ist denkbar. Dann wäre klar, dass alle nach den gleichen Regeln produzieren würden. Die Handelspolitik ist ein entscheidender Pfeiler unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit."

Mit der Festsetzung vorläufiger Zölle beginnt die Diskussion über das weitere Vorgehen. Die EU-Mitgliedstaaten haben ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen im Rahmen der Untersuchung. Diese Entscheidung sollte bis spätestens Anfang November 2024 getroffen werden.  Die zusätzlichen Zölle kommen zu den bestehenden Zöllen von 10 Prozent hinzu. Sollte die EU beschließen, endgültige Zölle einzuführen, so würden diese im Prinzip für 5 Jahre gelten.