Die EU-Kommission stellt an diesem Mittwoch Abschreckungsmaßnahmen gegen unfaire Handelspraktiken vor. Was davon zu halten ist, analysiert Bernd Lange.

Es steht außer Frage, dass eine regelbasierte und faire globale Handelsordnung im vitalen Interesse Europas ist. Diese Ordnung im Rahmen der Welthandelsorganisation auszubauen muss einer der Grundpfeiler europäischer Handelspolitik sein. Das allein reicht aber nicht aus. Denn wir sehen uns zunehmend mit einer Situation konfrontiert, in der Staaten diese globale Ordnung nicht nur infrage stellen, sondern sie auch bewusst im eigenen Interesse unterwandern.

Handelspolitik wird immer häufiger als politische Waffe eingesetzt. Die geopolitischen Spannungen der jüngsten Zeit haben überdeutlich gemacht: Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten wird es von überragender Bedeutung sein, die eigenen Handlungsspielräume und Interessen verteidigen zu können. Dazu gehört, sich entschlossen gegen äußeren Druck zur Wehr zu setzen.

Die Regierung von Donald Trump hat exemplarisch bewiesen, wie man ein fragiles globales System an den Rand des Zusammenbruchs bringen kann. Mit ihrer Blockade der Neubesetzung von Richtern der WTO-Berufungsinstanz haben die USA die Streitschlichtung der Organisation lahmgelegt und damit eine ihrer wichtigsten Funktionen ausgehebelt.

Danach ging die Trump-Administration dazu über, rücksichtslos Handelsverträge zu kündigen und sie unter Zwang neu zu verhandeln. Hinzu kamen illegale Zölle und andere Strafmaßnahmen. Dabei war Protektionismus durchaus nicht das wichtigste Ziel. Trump ging es vielmehr darum, seinen Willen durchzusetzen und anderen Staaten die Interessen der USA aufzuzwingen.

Eine solch rücksichtlose Politik ist mit dem Ende von Trumps Präsidentschaft leider nicht Vergangenheit geworden. Im Gegenteil: Ich beobachte zunehmend Maßnahmen, die zwar vorrangig wirtschaftlicher Natur sind, gleichzeitig aber darauf abzielen politische Entscheidungen zu beeinflussen. Einige Beispiele: Die Drohung der USA, Strafzölle auf französische Produkte einzuführen, sollte Paris davon abhalten, eine Abgabe auf digitale Dienstleistungen zu erheben. Die fortwährenden Drohungen vor allem republikanischer USAbgeordneter, Sanktionen gegen Deutschland oder sogar gegen einzelne Behörden oder Personen zu verhängen, zielen darauf ab, die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern - die USA wollen lieber ihr eigenes, teureres Gas nach Europa exportieren. In beiden Fällen versuchen die USA unübersehbar, Mitgliedstaaten der EU zu bestimmten Entscheidungen zu zwingen. [...]