Guy Ryder fand deutliche Worte. »Wir sind nachlässig geworden, was Zwangsarbeit angeht«, sagte der Direktor der Internationalen Arbeitsorganisation der Uno (ILO). Der Kampf gegen die »moderne Sklaverei« sei nicht nur ins Stocken geraten, die Lage habe sich sogar verschlimmert. 27,6 Millionen Menschen leben weltweit in Zwangsarbeit, 2,7 Millionen mehr als im Jahr 2016, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Bericht der ILO.

Nur Stunden später sickerten in Brüssel erste Entwürfe eines Gesetzesvorhabens durch, das den Kampf gegen die Zwangsarbeit deutlich verschärfen soll. Laut der aktuellen Fassung, die dem SPIEGEL vorliegt, will die EU-Kommission alle Produkte, die mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt wurden, in der EU verbieten. Ob sie in der EU hergestellt oder importiert wurden, für den EU-Markt oder den Export bestimmt sind, soll dabei keine Rolle spielen. [...]

Mit Peking droht Ärger

»Man kann nicht jedes Produkt zu 100 Prozent überprüfen«, sagt Bernd Lange (SPD), Chef des einflussreichen Außenhandelsausschusses des EU-Parlaments. Aber es lasse sich beispielsweise sagen, dass ein Produkt wie Christbaumschmuck zum großen Teil aus Chinas Provinz Xinjiang stamme – wo Hunderttausende Uiguren in Umerziehungslagern einsitzen und auch Zwangsarbeit verrichten müssen. In solchen Fällen, sagt Lange, »wird es Veränderungen in den Wertschöpfungsketten geben«.

Dass die Regierung in Peking sich das ohne Weiteres gefallen lässt, darf zumindest bezweifelt werden. »Selbstverständlich wird es zu einer Reaktion kommen«, sagt Lange. Sie werde aber wohl nur »rhetorisch« sein. »China kann sich nicht erlauben, den Handel mit der EU dichtzumachen«, so Lange. Dafür sei die gegenseitige Abhängigkeit zu groß.

Ein weiteres Problem könnte die Verfügbarkeit bestimmter Waren in der EU sein. So kommen laut Lange die in der Medizin oft verwendeten blauen Einweghandschuhe zu 60 Prozent aus Malaysia und basierten zum großen Teil auf Zwangsarbeit. Das neue Gesetz würde den Druck auf die Hersteller erhöhen, die Zustände vor Ort zu verbessern, sagt der SPD-Politiker. Sollte das nicht geschehen, »dann müssen wir halt schauen, wo wir die Handschuhe stattdessen herkriegen«. [...]