Die Zielsetzung der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mit Blick auf das unverzichtbare Vorantreiben des Klimaschutzes als auch die von der EU entwickelten Pläne eines Klimapaketes werden zweifelsfrei signifikante Auswirkungen auf die Mobilität unserer Gesellschaft haben, ob per Auto, Bahn, Schiff oder Flugzeug.

Aus der Vielzahl der Antriebsalternativen hat sich die deutsche Automobilindustrie offenkundig vor allem auf den Elektro-Antrieb fokussiert. Nicht nur die deutsche Politik scheint hier den eindeutigen Schwerpunkt zu sehen, wie man den entsprechenden Förderprogrammen entnehmen kann, sondern die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Parlaments weisen in dieselbe Richtung.

Welche Auswirkungen werden wir aus diesem Vorgehen zu erwarten haben? Als Redaktion dieses Magazins interessierte uns bei diesem Fragenkomplex naturgemäß zunächst der Bereich Pkw und dabei besonders auch die Frage, auf welche Auswirkungen wir uns für unsere Oldtimer einzustellen haben.

Vor diesem Gesamthintergrund haben wir bereits Vertreter verschiedener Parteien im Deutschen Bundestag im Rahmen jeweils eines Interviews zu Wort kommen lassen.

Nachdem wir in Ausgabe 3|21 unseres Clubmagazins den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse, CDU, zu seiner Auffassung befragen konnten, folgte in Ausgabe 4|21 mit MdB Oliver Luksic, FDP, ein Mitglied der Bundesregierung als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Serie der Interviews hat in PAGODE 1|22 MdB Johannes Arlt, SPD, fortgesetzt, der als stellvertretendes Mitglied im Bundestagsausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur ein Experte für unsere Themenpalette ist.

Nachdem uns von der Partei Bündnis 90/Die Grünen trotz mehrfachen Anlaufs ein Interview verwehrt wurde, haben wir nun den Weg nach Brüssel beschritten, um von Mitgliedern des Europäischen Parlaments Auffassungen zu dieser Thematik zu erhalten.

MdEP Bernd Lange von der SPD ist seit Jahren Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments und zugleich amtierender Vorsitzender aller Ausschussvorsitzenden des Parlaments, somit einer der einflussreichsten Parlamentarier in Brüssel.

Zugleich ist er Mitglied in unserem Club und nennt eine Pagode 250 SL sein Eigen. Er hat uns mit einigen Fotos an seinem Privatleben teilhaben lassen. Dafür schon einmal unser herzlichster Dank!

Werner Heidemann

INTERVIEW MIT MdEP BERND LANGE

DAS INTERVIEW

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, angesichts der Entwicklungen in der Mobilität, insbesondere bei Kraftfahrzeugen, beobachten viele Bürger die Dynamik der Unterstützung der E-Mobilität und deren politisch offenbar gewollte substanzielle Förderung mit großer Aufmerksamkeit.

Es entsteht teilweise der Eindruck, dass Alternativen zu E-Antrieben nicht umfassend genug betrachtet werden. Vor allem scheint es so, dass die Alternativen, wie z. B. Brennstoffzelle, Gasantrieb oder synthetischer Kraftstoff nicht unbedingt gewollt werden. Gleichzeitig werden signifikante Nachteile der E-Mobilität, zu denen sicherlich
- die menschenunwürdige Förderung von Rohstoffen für Batterien,
- die nicht geklärte Bereitstellung von genügender Ladekapazität,
- sowie die unpraktikabel geringe Reichweite von E-Fahrzeugen gehört,
kaum substanziell erörtert.

Vor diesem Hintergrund stellen sich für den Bürger und Autofahrer vielfältige Fragen zum Gesamtkomplex der Mobilität auf der Straße, von denen wir an dieser Stelle einige aufwerfen wollen.

1. Wie sehen Sie die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Implementierung des Klimapaketes der EU-Kommission vom 14.07.2021?
Das Klimapaket der Europäischen Union, bekannt auch unter „fit for 55“, ist aktuell im Gesetzgebungsprozess. Mit diesem Paket soll eine Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase insgesamt für die EU um 55 % im Jahr 2030, im Vergleich zu 1990 erreicht werden.

2030 ist eine Zwischenstufe zur Klimaneutralität der Europäischen Union im Jahr 2050. Dieser Weg ist zwingend nötig, um das in Paris vereinbarte Klimaziel, die durch menschliches Handeln erhöhte Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, zu erreichen. Das Europäische Parlament (EP) und der Ministerrat haben inzwischen in zentralen Teilen des Gesetzespaketes, wie dem Emissionshandel, den CO2 Grenzwerten für PKW+LNFZ, der Ladeinfrastruktur und der Entwicklung der Erneuerbaren Energien, eine Einigung erzielt. Diese müssen noch formal endgültig beschlossen werden, einige andere der fast 20 Gesetzgebungen sind noch im parlamentarischen Prozess. Die Gesetzgebungen sind sehr sorgfältig zu gestalten, da wir natürlich die Transformation unserer industriellen Basis in einer sozialverträglichen Art und Weise erreichen wollen. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sowie der soziale Zusammenhalt müssen genauso in Betracht gezogen werden, wie die CO2 Reduzierung.

2. Für wie realistisch halten Sie den Ansatz, ausschließlich über die Einführung der E-Mobilität den Treibhausgas-Ausstoß von Fahrzeugen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu senken?
Auf die Nutzung von Personenkraftwagen entfallen rund 12 % der gesamten Kohlendioxidemissionen in der EU, auf leichte Nutzfahrzeuge noch einmal 2,5 %. Der Ausstoß von CO2 bei PKW wurde schon kontinuierlich reduziert.

Zwischen 1995 und 2020 sind die absoluten CO2-Emissionen um 10 % aufgrund der EU-Gesetzgebung gesunken. Bei den verschiedenen Verordnungen geht es nicht um eine Reduktion des Grenzwertes eines einzelnen Fahrzeugs, sondern um eine Reduktion der Flottengrenzwerte eines Herstellers für seine Flotte neu zugelassener Fahrzeuge in einem Kalenderjahr. Zur Zeit liegt der Flottengrenzwert bei 95 g CO2 pro Kilometer nach dem alten Testverfahren NEFZ, nach dem neuen, dem realen Fahrverhalten entsprechenden WLTP Verfahren, bei 115 Gramm. Die Hersteller haben ihre individuellen Emissions-Limits sogar teils deutlich unterboten. Der durchschnittliche Ausstoß aller in der EU neu zugelassenen Pkw sank um weitere 16 g in 2021 nach WLTP-Norm und damit sind die gesetzlichen Zielvorgaben erreicht worden. Im Vergleich zu dieser jetzt gültigen Zielvorgabe ab 2021 soll nun eine Minderung der CO2-Flottenemissionen bis 2025 um weitere 15 Prozent gegenüber dem Niveau von 2021 erfolgen. Fünf Jahre später sollen es minus 50 % für LNFZ- und 55 % bei den Pkw-Flotten sein. Das ist angesichts der technologischen und historischen Entwicklung realistisch. Allerdings wird es im Jahr 2026 eine umfassende Überprüfung der Entwicklung und der Gesetzgebung geben.

3. Ist mit der ergänzenden Entscheidung des EU-Parlaments vom Juni 2022 das Aus für den Verbrenner bereits besiegelt, und wenn ja, für welche Verbrenner: Benzin- und Diesel-Motoren, Youngtimer, Oldtimer?
Für 2035 ist der CO2-Flottengrenzwert auf 0 g pro Kilometer gesetzt worden. Darauf haben sich Europäisches Parlament und Ministerrat Ende Oktober 2022 geeinigt. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass die Hersteller ab 2035 keine Pkw mit traditionellem Verbrennungsmotoren als Neufahrzeuge mehr zulassen können, oder sie müssen erhebliche Strafzahlungen leisten. Welche Technologie genutzt wird für das Erreichen dieser Flottengrenzwerte, wird nicht vorgeschrieben. Nach heutigem Stand würde man sagen, dass man die Ziele am besten mit E-Fahrzeugen erreichen kann. Denkbar wären aber auch die Nutzung von Wasserstoff, Brennstoffzellen oder neue CO2-neutrale Kraftstoffe. Klar ist jedoch, dass die Ziele mit traditionellen Verbrennungsmotoren und fossilen Kraftstoffen nicht zu erreichen sein werden. Da es um die Typ- und dann generell Neuzulassung von neuen Fahrzeugen geht, sind Oldtimer und Youngtimer von dieser Gesetzgebung nicht betroffen.

4. Wie realistisch ist der EU-Beschluss, bis zum Jahr 2035 den CO2-Rückgang um 100 % für alle neu zugelassenen Wagen zu erreichen?
Die technologische Entwicklung und der jetzt festzustellende Markttrend lassen den Grenzwert für 2035 realistisch erscheinen. Es gibt eine ganze Reihe von Sicherheitsnetzen und jährlichen Überprüfungsmechanismen, die die Gesetzgebung im Lichte der technischen Entwicklung und des Marktgeschehens regelmäßig auf den Prüfstand stellen. So können die Regelungen bei Bedarf zeitnah an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Wenn die CO2-Grenzwerte nicht eingehalten werden können, gibt es Strafzahlungen. Diese Emmissionsüberschreitungsabgabe gibt es schon jetzt, und sie wird auch für einige Zwischenziele bis 2035 gelten. Das EP hat erfolgreich die Forderung einbringen können, dass die Einnahmen aus diesen Strafzahlungen zur Unterstützung des gerechten Übergangs genutzt werden sollen und somit auch hier eine klare Verknüpfung zum sozialen Aspekt der Transformation hergestellt wird.

5. Wie bewerten Sie die soziale Komponente der E-Mobilität bezogen auf unsere Gesellschaft, also dass durch die zu erwartenden, stark steigenden Fahrzeugkosten für viele Familien die Gefahr groß ist, dass deren Mobilität verglichen zu 2022 mindestens stark eingeschränkt wird?
Dies ist zentral: Es darf keinen Green Deal ohne einen Social Deal geben. Deshalb ist es besonders wichtig, die soziale Komponente zu stärken und Forderungen, wie die Stärkung des sozialen Dialogs in der Automobilbranche sowie die Schaffung eines speziellen Finanzierungsinstruments für die Transformation der Automobilbranche zu verankern. Damit sollen insbesondere präventive und reaktive Maßnahmen zur Bewältigung der Umstrukturierung auf lokaler und regionaler Ebene koordiniert und finanziert und die Ausund Weiterbildung, Umschulung und Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern in der Automobilbranche, einschließlich Automobilherstellern, ihrer Zulieferer und der damit verbundenen Wartungs- und Reparaturdienstleistungen, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, finanziert werden.

Aber auch für die Nutzer von individueller Mobilität muss der Kostenrahmen gestaltbar bleiben. Für viele Menschen gibt es kurzfristig überhaupt gar keine Alternative, ihren Arbeitsplatz ohne PKW zu erreichen. Deswegen muss hier natürlich über die Frage der Pendlerpauschale und der steuerlichen Absetzbarkeit intensiv nachgedacht werden. Aber auch darüber hinaus darf individuelle Mobilität nicht eine Frage des Geldbeutels werden. Hersteller sind natürlich aufgefordert, auch Angebote in geringeren Preissegmenten der „Golfklasse“ und darunter zu machen. Sicherlich werden die größeren Produktionsmengen auch geringere Preise, gerade im Bereich der Batterien, mit sich bringen. Insofern sollten wir die Investitionstätigkeit genau in diesem Sektor nicht durch zusätzliche Anforderungen, z. B. im Verbrenner-Bereich, einschränken und auch öffentliche Gelder für eine europäische Produktion mobilisieren. Neben den Anschaffungskosten eines Elektrofahrzeuges oder eines Fahrzeuges mit einem anderen alternativen Antrieb geht es natürlich auch um die Betriebskosten. Gerade angesichts der aktuellen politischen Lage ist es so wichtig, die Strompreise deutlich zu reduzieren. Wir werden das Strommarkt Design jetzt verändern. Strom aus erneuerbaren Quellen ist heute preiswert und das muss dem Kunden auch weitergegeben werden.

6. Und wie sehen Sie hier die Divergenzen zwischen der Bevölkerung, die gemäß jüngsten Umfragen deutlich mehrheitlich steigende Steuern, Stopp des Straßenausbaus und Parkraumverknappung ablehnt, und der Politik? Und wie kann Intensivierung des Umweltschutzes unter diesen Bedingungen gelingen?
Ich sehe die politische Diskussion nicht so extrem ausgeprägt. Ich erlebe sehr deutlich, dass auch in zukünftigen Mobilitätskonzepten die individuelle Mobilität eine große Rolle spielt. Diese wird sich sicherlich deutlich anders gestalten, als in den letzten 150 Jahren. Die Digitalisierung bringt viele neue Möglichkeiten mit sich. Autonomes Fahren wird eine große Rolle spielen. Dazu bedarf es auch neuer Infrastrukturen. Ebenso gilt dies für eine elektronisch gesteuerte Parkraumbewirtschaftung. Die Verknüpfung von Mobilitätsträgern wird großgeschrieben werden.

Die Rahmenbedingungen müssen aber stimmen und geschaffen werden. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist z. B. entscheidend zur Erreichung der neuen Ziele und damit ist klar, dass die Investitionen in den Aufbau fortgesetzt und aufgestockt werden müssen. Die EU-Staaten werden nun verpflichtet werden, das Netz der Ladesäulen und Wasserstoff-Tankstellen, besonders an den Fernstraßen, also Autobahnen, Bundesstraßen, Land- und Kreisstraßen, auszubauen. So sollen E-Autos mindestens alle 60 Kilometer laden können. Brennstoffzellen-Fahrzeuge sollen alle 150 Kilometer Wasserstoff auffüllen können. Aber auch für urbane Räume muss es eine Mindestversorgung geben. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass heute 50 % aller Ladestationen in drei von 27 EU-Mitgliedstaaten errichtet worden sind.

7. Warum wird offenkundig vor allem nur die E-Mobilität gefördert?
Zur Zeit ist der Elektroantrieb im PKW am effizientesten hinsichtlich des Stromverbrauches. Und dieser Gesichtspunkt ist nicht zu vernachlässigen, da Strom ja aus regenerativen Quellen gewonnen werden muss und es eine Nutzungskonkurrenz mit industriellen Anwendungen gibt. Für 100 km Fahrstrecke wird beim Elektrofahrzeug ca. 18 kWh grüner Strom benötigt, beim Wasserstoffantrieb ca. 54 kWh und beim synthetischen Kraftstoff ca. 115 kWh. Allerdings ist in der neuen Gesetzgebung vorgesehen, dass die EU-Kommission außerhalb der Grenzwerte für die Fahrzeugflotten, in Übereinstimmung mit dem Ziel der Klimaneutralität, einen Vorschlag für die nach 2035 erfolgende Zulassung von Fahrzeugen, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, vorlegt. Das ist wichtig, da nur so verhindert wird, dass Verbrenner weiterhin mit fossilem Brennstoff betankt werden.

Allerdings ist bei dem Fokus auf Elektromobilität natürlich dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Es kann nicht sein, dass Kobalt für die Batterien unter unmenschlichen Bedingungen, häufig von Kindern, im Kongo gewonnen wird und die Einnahmen zur Finanzierung des Bürgerkrieges genutzt werden. 60 % des Kobalts kommt aus der Demokratischen Republik Kongo. Gleiches gilt natürlich für andere Rohstoffe wie Lithium oder einige seltene Erden. Deswegen haben wir mit einigen Ländern spezielle Handelsverträge geschlossen, die einen nachhaltigen Zugang zu Rohstoffen sichern. Ich persönlich war in den Verhandlungen mit Chile, dem größten Lieferanten von Lithium, beteiligt. Am 8. März wird es einen neuen Vorschlag für eine Gesetzgebung zur nachhaltigen Rohstoffbewirtschaftung geben. Da geht es um die Gewinnung von Rohstoffen innerhalb der europäischen Union, dem partnerschaftlichen Bewirtschaften mit Drittstaaten und vor allem auch um das Recycling. Ohne eine geschlossene Kreislaufwirtschaft kann man nicht verantwortungsvoll alle Ampeln für die E-Mobilität auf Grün stellen.

Eine besondere steuerliche Förderung bestimmter Technologien liegt in der Entscheidung der Mitgliedstaaten.

8. Wo liegen die Chancen synthetischer Kraftstoffe für die Klimaziele und sehen Sie diese Kraftstoffe als reale Alternative zu E-Antrieben?
Synthetische Kraftstoffe sind sicherlich eine Option für die Bestandsflotte, insbesondere natürlich für historische Fahrzeuge. Allerdings wird die Herstellung der synthetischen Kraftstoffe in Konkurrenz zu der Verwendung von regenerativ erzeugtem Strom und grünem Wasserstoff stehen. Hier gilt es, die Ausbauziele in der EU zu erreichen und hinreichend Importkapazitäten zu organisieren. Insofern wird es wahrscheinlich in absehbarer Zukunft nicht genügend Kapazitäten für eine umfassende Menge an synthetischen Kraftstoff geben.

Gerade für historische Fahrzeuge wird es aber ein Angebot geben. Porsche beginnt synthetischen Kraftstoff in Chile zu produzieren. In Chile ist die Effizienz der erneuerbaren Energien im Solarbereich und vor allem bei Windkraftanlagen deutlich besser als in der EU. Insofern ist dort die Produktion von synthetischen Kraftstoffen auch effizienter und kostengünstiger. Die Logik von Porsche, synthetische Kraftstoffe vorhalten zu können, da zwei Drittel aller jemals gebauten Porsche Fahrzeuge noch fahrtüchtig sind, ist schon sehr charmant.

9. Sehen Sie eine breitere Markteinführung synthetischer Kraftstoffe angesichts einer Verteilung der Antriebe (Stand 01.04.2022) auf
- 31 Mio. Benzin-Pkw
- 15 Mio. Diesel-Pkw
- 1 Mio. Gas-Pkw
- 1 Mio. E-Autos, Plug-in-Hybrid-Pkw?

Die Marktentwicklung ist natürlich genau zu beobachten. Die durchschnittliche Laufzeit eines PKW beträgt etwa 12 Jahre. Insofern wird es einen Bedarf geben. Der Vorteil von synthetischen Kraftstoffen ist natürlich, dass die bestehende Tankstelleninfrastruktur genutzt werden kann. Allerdings sind zur Zeit neben der Konkurrenz in der Verfügbarkeit die hohen Produktionskosten ein begrenzender Faktor; die Literkosten liegen heute etwa im 3-fachen Bereich der derzeitigen Benzinpreise.

10. Und wo sehen Sie hier die Brennstoffzelle?
Brennstoffzellenantrieb ist effizienter, als die Nutzung von synthetischem Kraftstoff. Ich finde die Entwicklung sehr spannend und auch die erzielten Fortschritte. In Niedersachsen produzieren wir ja schon den ersten Wasserstoff-/Brennstoffzellen-Antrieb im Zug, der den Dieselantrieb ersetzt. Schauen wir mal, was der technologische Fortschritt hier weiter bringen wird.

11. Hemmt synthetischer Kraftstoff die beschlossenen Klimaschutzziele?
Nein.

12. Wie könnte ein mehrgleisiges Vorgehen bei etwa gleichrangiger Förderung der verschiedenen Alternativen zum Verbrenner aussehen?
Wir wollen zukünftig stärker den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges in den Blick nehmen und nicht nur das, was hinten im Fahrbetrieb rauskommt. Die EU-Kommission wird bis 2025 eine gemeinsame EU-Methodik für die Bewertung des gesamten Lebenszyklus der CO₂-Emissionen von in der EU in Verkehr gebrachten Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sowie der von diesen Fahrzeugen verbrauchten Kraftstoffe und Energien erarbeiten. Daran anschließend wird es eine Überprüfung der Gesetzgebung geben. Erst wenn der gesamte Lebenszyklus beachtet wird, lässt sich die Gesamt CO2 Bilanz erstellen und damit unterschiedliche Konzepte bewerten. Zudem bin auch ich überzeugt, dass unterschiedliche Konzepte auch für unterschiedliche Anwendungen dienlich sind.

13. Können Sie etwas zu politischen Überlegungen hinsichtlich der Auswirkungen der aktuellen Diskussion über alternative Antriebe auf Oldtimer-Fahrer sagen?
Im Kontext der Diskussion über die Reduzierung von CO2-Emissionen von Pkw, wie auch der Diskussion über Umweltbelastungen durch Mobilität, wird sicherlich der Fokus auf historische Fahrzeuge stärker werden, auch wenn sie von der aktuellen CO2-Gesetzgebung nicht betroffen sind.

Die Zustimmungswerte für historische Fahrzeuge im Verkehr nehmen schon jetzt ab. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Szene der historischen Fahrzeuge viel proaktiver für das Kulturgut „Historisches Fahrzeug“ werben muss. Es gibt gute belegbare Zahlen, die den Einfluss der historischen Fahrzeuge im Verkehr auf die Umweltbelastungen als relativ unbedeutend erkennen lassen, gerade angesichts der geringen Fahrleistungen. Synthetische Kraftstoffe können hier weiterhelfen, wir sollten beizeiten unsere Fahrzeuge dafür ertüchtigen. Aber es geht natürlich immer um Ausnahmen von der Regel für historische Fahrzeuge.

Im Europäischen Parlament leite ich eine kleine Gruppe, die sich genau um die Zukunft historischer Fahrzeuge im Straßenverkehr kümmert, die Historic Vehicle Group. So haben wir eine Definition für historische Fahrzeuge erarbeitet. Denn es muss für die Öffentlichkeit klar sein, dass historische Fahrzeuge etwas anderes sind, als alte Autos. Basierend auf dieser Definition konnten dann in verschiedenen Gesetzgebungen, wie der periodischen Überwachung, dem Zoll Kodex, der Straßenbenutzungsgebühren und einigen anderen, Ausnahmen für historische Fahrzeuge möglich gemacht werden. Jetzt beschäftigen wir uns mit der Revision der periodischen Überwachung und der Altautoverordnung. Zudem geht es natürlich auch um den Zugang für historische Fahrzeuge in Umweltzonen. Da brauchen wir dringend eine stärkere, europäische Harmonisierung, wie wir es in Deutschland für alle Städte auch haben. Ausnahmen kommen nicht automatisch und wir können damit auch nicht in dem gesellschaftlichen Umfeld rechnen. Um Ausnahmen zu erzielen, müssen wir proaktiv und transparent die Bedeutung historischer Fahrzeuge auf der Straße als faszinierendes Kulturgut erläutern. Nur im Museum sich Fahrzeuge anzusehen, ist keine Alternative.